Rz. 18

Seit Einführung der MwSt in Deutschland zum 1.1.1968 sind auch wiederholt Überlegungen angestellt worden, einen erhöhten Steuersatz (sog. Luxussteuersatz) einzuführen. Erhöhte Steuersätze sind früher in mehreren EU-Mitgliedstaaten (z. B. Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien) auf bestimmte Konsumgüter des gehobenen Bedarf (z. B. hochwertige Pkw) angewendet worden. Gemeinschaftsrechtlich ist die Anwendung eines über dem Normalsatz liegenden erhöhten MwSt-Satzes seit dem 1.1.1993 nicht mehr zulässig (Rz. 100). Dementsprechend hat die damalige Bundesregierung die Frage des Abgeordneten Detlev von Larcher, ob sie es für sinnvoll halte, einen höheren – über dem Normalsatz liegenden – Umsatzsteuersatz für tatsächlich oder potenziell umweltbelastende Produkte einzuführen, unter Hinweis auf das entgegenstehende Gemeinschaftsrecht verneint.[1] Im Jahr 2005 hat die Bundesregierung aufgrund einer Parlamentsanfrage bekräftigt, dass sie sich auf EU-Ebene auch nicht dafür einsetzen werde, eine entsprechende Rechtsgrundlage für einen erhöhten MwSt-Satz für Luxusgüter zu schaffen. Die erhöhten MwSt-Sätze seien zum 1.1.1993 mit der Schaffung des Binnenmarkts nicht zuletzt auf Initiative der damaligen Bundesregierung europaweit abgeschafft worden, sodass kaum Aussichten bestünden, diese wiederum einzuführen. Im Übrigen sprächen auch wirtschaftspolitische und verwaltungstechnische Gründe gegen die Einführung eines erhöhten MwSt-Satzes auf Luxusgüter.[2]

 

Rz. 19

Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat im Jahr 1996 vergeblich die Einführung eines erhöhten Steuersatzes auf Energie (Verbrauch von Mineralöl, Erdgas, Strom und ggf. von anderen Brennstoffen) gefordert. Im Rahmen der Diskussion um die Anhebung bzw. Neueinführung von Verbrauchsteuern auf Energie zum 1.4.1999 (sog. Öko-Steuer) sind zwar alternative Lösungen über eine Erhöhung der USt auf Energie erwogen, jedoch wegen des entgegenstehenden EU-Rechts verworfen worden.

M. E. erscheint es wenig realistisch, dass die unionsrechtlichen Grundlagen für die Einführung eines über dem Normalsatz liegenden Umsatzsteuersatzes (Rz. 100) im Allgemeinen und für Energie im Besonderen in absehbarer Zeit geschaffen werden können. Vielmehr konnten die EU-Mitgliedstaaten nach Art. 102 MwStSystRL i. d. F. bis 5.4.2022 auf die Lieferungen von Erdgas, Elektrizität und Fernwärme einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Art. 102 MwStSystRL ist allerdings durch die EU-Richtlinie vom 5.4.2022[3] gestrichen worden. Stattdessen können die EU-Mitgliedstaaten aufgrund der EU-Richtlinie vom 5.4.2022 (a. a. O.) ab dem 6.4.2022 u. a. auf die Lieferung von Elektrizität, Fernwärme, Fernkälte und bestimmtem Biogas sowie auf die Lieferung von Erdgas und Brennholz befristet bis zum 31.12.2029 ermäßigte MwSt-Sätze anwenden (Art. 98 i. V. m. Nr. 22 des Anhangs III MwStSystRL i. d. F. ab 6.4.2022). Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Möglichkeit partiell Gebrauch gemacht, indem in Deutschland auf die Lieferungen von Erdgas und Fernwärme zur Abfederung der ab Sommer 2022 stark gestiegenen Energiepreise in der Zeit vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 nach § 28 Abs. 5 und 6 UStG der ermäßigte Steuersatz von 7 % angewendet wird.[4] Die Diskussion, dass das Unionsrecht den EU-Mitgliedstaaten künftig die Einführung eines sog. Luxussteuersatzes sowohl für Energie als auch für andere Gegenstände erlauben könnte, erscheint damit auf absehbare Zeit beendet.

[1] Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMF Hansgeorg Hauser v. 23.4.1996, BT-Drs. 13/4471, 8.
[2] Antwort des Staatssekretärs im BMF Halsch v. 2.8.2005, BT-Drs. 15/5944, 16.
[3] Richtlinie (EU) des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[4] Art. 1 des Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz v. 19.10.2022, BGBl I 2022, 1743.

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