Rz. 13

Nicht selten beantragen die betroffenen Unternehmer eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde unabhängig von der Vergleichbarkeit der Einrichtungen nur dann bei der zuständigen Landeskulturbehörde, wenn für sie die Steuerbefreiung günstiger ist als die Möglichkeit, bei Steuerpflicht ihrer Leistungen die Vorsteuer aus den Vorbezügen angerechnet zu bekommen. Auf diese Weise kann die gesetzliche Folge einer Steuerbefreiung ohne Optionsmöglichkeit umgangen werden. Damit die Finanzverwaltung sicherstellen kann, dass die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben beachtet werden, hat sie – wie seit 1990 geregelt und mehrfach vom BVerwG[1] ausdrücklich bestätigt – die Möglichkeit, selbst einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Landeskulturbehörde zu stellen. Das Antragsrecht der Finanzverwaltung ist ein erforderliches Korrektiv, weitgehende Neutralität bei der USt im Wettbewerb zwischen den verschiedenen Einrichtungen sowie die Vermeidung von Gestaltungen zu erreichen. Die Beantragung bei der zuständigen Kulturbehörde kann und wird naturgemäß regelmäßig erst geschehen, wenn das FA z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung von der Tätigkeit des Unternehmers erfährt. D. h., die Finanzbehörde prüft bereits vor Stellung des Antrags, ob aus ihrer Sicht die Voraussetzungen vorliegen, die den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 20 UStG eröffnen. Die dann von der zuständigen Landeskulturbehörde erteilten Bescheinigungen sind – bundesweit einheitlich – für den in ihnen angegebenen Zeitraum im Rahmen des verfahrensrechtlich Zulässigen auch rückwirkend bei der Besteuerung zu berücksichtigen.

 

Rz. 14

Lange Zeit offen im Zusammenhang mit dem Bescheinigungsverfahren – das sowohl bei § 4 Nr. 20 UStG als auch bei § 4 Nr. 21 UStG Anwendung findet – war die Frage, ob es sich bei einer Bescheinigung der zuständigen Behörde um einen Grundlagenbescheid nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO oder um ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO handelt. Der BFH hat[2] entschieden, dass die Bescheinigung einen Grundlagenbescheid darstellt. Der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG kann dabei Rückwirkung zukommen, ohne dass dem der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegensteht.

 

Rz. 15

Wegen der Rückwirkung der Bescheinigung sahen sich die Finanzbehörden veranlasst, in entsprechenden Fällen bei den privaten Unternehmern, die zunächst – unzutreffend – von der Umsatzsteuerpflicht ihrer Leistungen ausgegangen waren und keine Bescheinigung bei der zuständigen Kultusbehörde beantragt hatten, denen auf Antrag der Finanzbehörde aber nachträglich eine Bescheinigung ausgestellt wurde, häufig – rückwirkend – auch über die reguläre Festsetzungsfrist[3] hinaus die Leistung als umsatzsteuerfrei zu beurteilen und ggf. gezogene Vorsteuerbeträge zurückzufordern. Dies bedeutete eine erhebliche Unsicherheit aufseiten der Unternehmer. Umgekehrt konnten aber Fälle auftreten, in denen die FÄ früher geleistete Umsatzsteuerzahlungen für einen sehr langen Zeitraum zurückzahlen mussten.

 

Rz. 16

Um diese Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, war durch Art. 4 Nr. 6 Buchst. a des JStG 2010[4] in § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 3 UStG m. W. v. 1.1.2011 geregelt worden, dass für die Erteilung der Bescheinigung § 181 Abs. 1 und 5 der AO (der auf die Regelungen über die Festsetzungsverjährung verweist – §§ 169 bis 171 AO) entsprechend gilt. Die Frist für die Erteilung, Änderung oder Aufhebung von Bescheinigungen durch die zuständigen Landesbehörden betrug nach der Änderung in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG grundsätzlich nur noch 4 Jahre.[5] Darüber hinaus konnte eine Bescheinigung aber noch bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung der USt[6] ausgestellt oder geändert werden. Damit waren Rückabwicklungen von Vorsteuerbeträgen auch seit dem 1.1.2011 noch begrenzt möglich.

Durch das ZollkodexAnpG v. 22.12.2014[7] war § 171 Abs. 10 AO um einen neuen Satz 2 ergänzt worden, wonach Grundlagenbescheide, auf die § 181 AO nicht anzuwenden ist (z. B. ressortfremde Grundlagenbescheide), die Ablaufhemmung nur dann auslösen, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids beantragt worden sind. Im Zusammenhang mit dieser Ergänzung des § 171 Abs. 10 AO war durch das ZollkodexAnpG bereits mWv 1.1.2015 die Verjährungsregelung nach dem alten § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 4 UStG aufgehoben worden. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016[8] war in § 171 Abs. 10 AO mWv 1.1.2017 ein neuer Satz 2 eingefügt worden; der o. g. bisherige Satz 2 wurde Satz 3 und wurde entsprechend angepasst. Nach dem neuen § 171 Abs. 10 S. 2 AO beginnt die zweijährige Frist im Fall ressortfremder Grundlagenbescheide erst mit Kenntnis der für den Folgebescheid zuständigen Finanzbehörde von der Entscheidung der für den Grundlagenbescheid zuständigen Behörde. Nach Art. 97 § 10 Abs. 14 EGAO gelten § 171 Abs. 10 S. 1 bis 3 AO in der am 1.1.2017 geltenden Fassung für alle am 31.12.2016 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen. § 171 Abs. 10 S. 2 und 3 AO haben Bedeut...

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