Rz. 3i

Weil die betroffenen Verbände – z. B. der Bundesverband der Systemgastronomie, insbesondere aber der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) – im Laufe des Jahres 2023 befürchteten, dass die Umsatzsteuerermäßigung zum 31.12.2023 ohne Einschreiten des Gesetzgebers auslaufen würde, setzten sie sich vehement für eine weitere Verlängerung über den 31.12.2023 hinaus ein. In Restaurants und Hotels wurden Plakate mit der Forderung auf Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes angebracht. Laut DEHOGA gebe es derzeit (Stand Herbst 2023) – auch aufgrund von Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie – nur noch 133.000 Gastronomiebetriebe in Deutschland. Wenn Speisen in den Restaurants usw. mit 19 % USt besteuert würden, könnten weitere 12.000 Betriebe aufgeben. Eine Umsatzsteuererhöhung müsste in vollem Umfang an die Gäste weitergegeben werden, da es hier für Gastronomen keine Spielräume mehr gebe. Neben deutlich steigenden Preisen seien weitere Konsequenzen weniger Gäste, weniger Umsatz, Umsatzverluste bei Lieferanten, Preisdruck in der Kita- und Schulverpflegung, Arbeitsplatzverluste und eine Verlagerung der Umsätze hin zur Mitnahme von Essen, Lieferdiensten und Supermärkten. Eine Beibehaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes würde gering verdienenden Menschen die Möglichkeit geben, öfter in ein Restaurant oder Café gehen zu können. Statt Steuerfairness zu schaffen und Essen einheitlich mit 7 % USt zu besteuern, würden mit der Steuererhöhung auf 19 % ab 1.1.2024 Tausende Existenzen gefährdet sowie der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert.[1]

 

Rz. 3j

Es gab allerdings auch Stimmen, die sich gegen eine weitere Verlängerung der Steuerermäßigung für die Speisenabgabe in der Gastronomie ausgesprochen haben. So bemerkte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass die Gastronomie bereits in der Corona-Pandemie mit Corona-Hilfen und zusätzlich durch die reduzierte Umsatzsteuer auf Speisen genügend unterstützt worden sei. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle kam zum Ergebnis, nach dem Ende der Pandemie gebe es keinen Grund mehr, die Gastronomiebranche zu bevorzugen. Das ifo-Institut vertrat die Ansicht, die Subventionierung einer einzelnen Branche könne sogar schädliche Wirkungen für andere Branchen entfalten. Hilfsmaßnahmen gezielt für die Gastronomie ließen sich nicht rechtfertigen. Außerdem müsse unter Verteilungsaspekten bedacht werden, dass gastronomische Dienstleistungen in deutlich stärkerem Maße von Haushalten mit höherem Einkommen als von Haushalten mit geringem Einkommen nachgefragt würden. Auch das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim sah die Vergünstigung sozialpolitisch als Problem, denn von der Steuerermäßigung profitierten vor allem Besserverdienende. Wohlhabende gingen häufiger essen und profitierten daher überproportional. Es muss auch bedacht werden, dass nach der Logik des Umsatzsteuersystems nur die für den täglichen Bedarf notwendigen Leistungen (wozu der Restaurantbesuch nicht gehört) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen sollten.

 

Rz. 3k

Auch zu der Frage, wie sich die Wiedereinführung des allgemeinen Steuersatzes von 19 % auf die Preise für die Speisen in der Gastronomie auswirken würden, gab es unterschiedliche Ansichten. Während die DEHOGA von einer vollständigen Weitergabe der höheren USt an die Gäste ausging, glaubte das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim nicht daran, dass die höhere USt voll auf die Preise für Speisen im Restaurant durchschlagen würde. Schließlich seien die Preise in der Gastronomie in den vergangenen Jahren bereits kräftig gestiegen und viele Kostentreiber wären inzwischen weggefallen. Dies sollte der Gastronomiebranche etwas Luft geben, die Steuererhöhung zumindest ein Stück weit aufzufangen. Tatsächlich haben sich die Preise in der deutschen Gastronomie auch unter der Geltung des ermäßigten Steuersatzes für Speisen stark erhöht. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die Preise für Gaststättendienstleistungen von Januar 2021 bis Oktober 2023 um 20,3 % gestiegen.

[1] Vgl. im Einzelnen Rondorf, NWB 50/2023, 3441.

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