Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinderfreibetrag wegen Berufsausbildung. Anwärter für die Laufbahn der Offiziere bei der Bundeswehr

 

Tenor

Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß 30 Abgabenordnung überarbeitet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob den Klägern (Kl.) für ihren Sohn … ein Kinderfreibetrag wegen Berufsausbildung gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht.

Die Kl. werden zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Sie beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; der Kläger (Kl.) ist als Verwaltungsbeamter, die Klägerin (Klin.) als A. tätig. In ihrer ESt-Erklärung für 1990 beantragten die Kl. einen Kinderfreibetrag für den am 9. September 1968 geborenen Sohn, der nach dem Abitur in der Zeit vom 1. Juli 1988 bis 30. Juni 1989 seinen Grundwehrdienst abgeleistet hatte. Ihr Sohn war zum Gefreiten ernannt worden und wurde auf Antrag mit Wirkung vom 1. Juli 1989 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes mit dem Dienstgrad Gefreiter OA übernommen. Der Sohn der Kl. verpflichtete sich für 13 Jahre, Wehrdienst zu leisten. Mit Wirkung vom 3. Juli 1989 berief ihn der Bundesminister der Verteidigung zunächst für 6 Jahre in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit; er wurde in eine Planstelle mit der Besoldungsgruppe A2 eingewiesen. Im Rahmen der Ausbildung war der Sohn der Kl. für ein Studium an einer Hochschule der Bundeswehr – Studienfachrichtung Maschinenbau – vorgesehen. In den Versetzungsverfügungen wird ihr Sohn als „Schüler” bezeichnet. Ihm war bekannt, daß er nach § 55 Abs. 4 Soldatengesetz jederzeit bis zur Ernennung zum Leutnant entlassen werden konnte, wenn er sich nicht zum Offizier eignete. Als Gefreiter OA erhielt er ein Bruttogehalt von 1.814 DM sowie kostenlose Dienstkleidung und freie Unterkunft. Er hatte Anspruch auf kostenfreie Heilfürsorge. Am 28. September 1990 bestand der Sohn der Kl. die Offiziersprüfung. Nach Bestehen der Zwischenprüfung war er mit Wirkung vom 1. Juni 1990 zum Seekadetten (Besoldungsgruppe A5) ernannt worden. Ab 1. Oktober 1990 studiert er an der Bundeswehruniversität in Hamburg.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte in dem ESt-Bescheid für 1990 vom 30. Juli 1991 den beantragten Kinderfreibetrag nicht. Hiergegen erhob der Kl. Einspruch und trug im wesentlichen vor:

Sein Sohn stehe bei der Bundesmarine im Rahmen eines Dienstausbildungsverhältnisses in der Ausbildung zum Offizier bzw. er studiere an der Fachhochschule der Bundeswehr. In den Versetzungsverfügungen werde als Dienstbezeichnung „Schüler” angegeben. Sein Sohn absolviere durch das Studium eine Berufsausbildung.

Das FA hatte die Klin. zum Verfahren hinzugezogen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 1992 führte das FA im wesentlichen aus, der Sohn der Kl. habe sich im Streitjahr im steuerlichen Sinne nicht in einer Berufsausbildung befunden, weil er seine Ausbildung im Rahmen seiner Berufstätigkeit als Soldat absolviert habe.

Mit der hiergegen erhobenen Klage tragen die Kl. im wesentlichen vor: Ihr Sohn habe in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis 28. September 1990 keinen Beruf ausgeübt. Um einen Beruf ausüben zu können, benötige man eine Ausbildung. Diese Ausbildung zum Offizier habe ihr Sohn in dem vorgenannten Zeitraum durch Praktika und Lehrgangsteilnahme erhalten. Mit dem Bestehen der Offiziersprüfung sei die Ausbildung beendet worden. Bei Nichteignung zum Offizier bzw. bei Nichtbestehen der Laufbahnprüfung wäre eine Entlassung aus dem Dienstverhältnis jederzeit möglich gewesen. Insofern sei das Dienstverhältnis eines Anwärters nicht mit einem Dienstverhältnis auf Zeit (Zeitsoldat auf 4 oder 6 Jahre) vergleichbar. Anzumerken sei auch, daß die Besoldung nach dem Dienstgrad eines Gefreiten (A2) nicht höher liege als die Bezüge eines Anwärters im öffentlichen Dienst (z. B. A9: 1.516 DM). Für die Beurteilung der Streitfrage sei aber das Einkommen ihres Sohnes nicht maßgeblich; vielmehr komme es entscheidend auf das Merkmal „Ausbildung” an.

Die Kl. hatten schriftlich sinngemäß beantragt,

den ESt-Bescheid für 1990 vom 30. Juli 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 1992 zu ändern und unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages für ihren Sohn … die ESt 1990 anderweitig festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es nimmt auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug.

Mit Schreiben vom 27. Januar 1994 hatte das FA dem Gericht mitgeteilt, daß es aufgrund der Ausführungen im Bundesfinanzhof(BFH)-Urteil vom 2. Juli 1993 III R 79/92 bereit sei, die Dienstzeit des Sohnes bis zum Bestehen der Offiziersprüfung als Berufsausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 EStG anzuerkennen und in Kürze einen Änderungsbescheid zu erlassen. Der Vorsteher unterzeichnete den entsprechenden Eingabewertbogen am 26. Januar 1994. Mit Schreiben vom 15. Februar 1994 teilte das FA dem Gericht mit, daß es an den im Schreiben vom 27. Januar 1994 gemachten Ausführungen nicht mehr festhalte. Nach dem neuesten BFH-Ur...

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