Leitsatz

Eine Ausfuhranmeldung für Erstattungszwecke enthält stets die Versicherung, dass die Ware gesunde und handelsübliche Qualität hat; das gilt auch dann, wenn der Ausführer die tatsächlichen Umstände offenbart, derentwegen die gesunde und handelsübliche Qualität zweifelhaft sein kann. Der Ausführer trägt bei Gefahr der Verhängung einer Sanktion das Risiko, dass er seine Ware rechtsirrig für gesund und handelsüblich hält.

Von der Verhängung einer Sanktion kann jedoch in einem Ausnahmefall abzusehen sein, wenn dies eine umfassende und die einzelnen Umstände in ihrem Gewicht abwägende Betrachtung und Bewertung der Situation gebietet, in der sich der Ausführer bei der Abgabe seiner Ausfuhranmeldung befunden hat (Anschluss an das Urteil des EuGH vom 6.12.2012, C-562/11).

 

Normenkette

Art. 11 VO (EWG) Nr. 3665/87

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen hatte zwischen 1997 und 1998 in sog. Isolierschlachtbetrieben erschlachtetes Fleisch ausgeführt und dafür eine Ausfuhranmeldung für Erstattungszwecke abgegeben. Erst mit Urteil vom 26.5.2005, C-409/03 (BFH/NV Beilage 2005, 342) hat der EuGH entschieden, solches Fleisch habe keine "gesunde und handelsübliche Qualität" und sei daher nicht erstattungsfähig.

Das HZA hat gegen das Unternehmen eine Sanktion von rd. 800.000 DM mit der Begründung verhängt, dieses habe eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt und dadurch den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen verwirklicht. Das Unternehmen hatte bei den betreffenden Sendungen zwar Genusstauglichkeitsbescheinigungen der Veterinärbehörde beigefügt, aus denen sich klar ergab, dass das Fleisch in Isolierschlachtbetrieben erschlachtet worden ist. Die Ausfuhranmeldungen waren vom Ausfuhrzollamt auch angenommen worden. Das Erstattungszollamt hielt es gleichwohl für allein entscheidend, dass die Ausfuhrerstattung zu Unrecht beantragt worden ist. Die Klage des Unternehmens war erfolglos (FG Hamburg, Urteil vom 8.9.2008, 4 K 19/06, Haufe-Index 2370899).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sache zur weiteren tatsächlichen Prüfung nach Maßgabe der vom EuGH geforderten Beurteilung an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

Kann gegen einen Ausführer eine Sanktion nur deshalb verhängt werden, weil er eine Ausfuhrerstattung beantragt hat, die ihm nicht zusteht? Oder ist eine Sanktion nur verwirkt, wenn der Ausführer die Ausfuhrerstattung durch falsche oder unvollständige (tatsächliche) Angaben zu erhalten versucht hat?

Der BFH hatte dazu den EuGH befragt (BFH, EuGH-Vorlage vom 7.9.2011, VII R 45/10, BFHE 235, 65, BFH/NV 2012, 151) und folgende Vorabentscheidung erhalten (EuGH, Urteil vom 6.12.2012, C-562/11, Haufe-Index 3515598): Eine Sanktion sei zu verhängen, wenn sich erweise, dass die Ware, für deren Ausfuhr eine Erstattung beantragt worden ist, nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität war. Das gelte auch dann, wenn der Ausführer in gutem Glauben gewesen ist und den Behörden Art und Herkunft der Ware zutreffend beschrieben hat.

Obwohl dem EuGH weitere Fragen nicht gestellt worden waren, hat dieser es für angezeigt gehalten, durch entsprechende Urteilsausführungen in dem Unternehmen die Hoffnung zu wecken, von der Sanktionserhebung könne ausnahmsweise abgesehen werden, weil möglicherweise besondere Umstände vorlägen, die einem Ausnahmefall i.S.v. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b VO Nr. 3665/87 (heute Art. 49 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung EG Nr. 612/2009) gleichgestellt werden könnten.

Der BFH hatte dies zu prüfen, was mangels klarer und anhand des Unionsrechts nachvollziehbarer Kriterien, die sich aus dem EuGH-Urteil nämlich nicht gewinnen lassen, ein wenig schwer gefallen zu sein scheint. Offenbar will der EuGH – losgelöst von den klar definierten Fällen des Absehens von der Sanktionserhebung – eine umfassende und die einzelnen Umstände in ihrem Gewicht abwägende Betrachtung und Bewertung der Situation zulassen, in der sich ein Unternehmen bei der Abgabe von Ausfuhranmeldungen befindet. Danach sei ein Ausnahmefall i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b VO Nr. 3665/87 dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen nach der Entscheidungspraxis des HZA und dem Verhalten der Ausfuhrzollstelle ohne den Vorwurf der Fahrlässigkeit annehmen konnte, die betreffenden Behörden gingen von der Erstattungsfähigkeit der Ausfuhrware aus. Eine Milde, die in einem seltsamen Kontrast zu der geradezu rechtsschutzverweigernden Härte bei der Auslegung des Sanktionstatbestandes steht! Denn insoweit läuft die Entscheidung des EuGH darauf hinaus, dass ein Ausführer bei Gefahr der Verhängung einer Sanktion keine Ausfuhranmeldung abgeben darf, wenn er nicht sicher ist, dass die Behörden die Rechtslage hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit seiner Ware genauso beurteilen, wie er selbst.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.5.2013 – VII R 45/10

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