Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung der ehemaligen Organgesellschaft für nach der insolvenzbedingten Beendigung der Organschaft entstandene Steuern des ehemaligen Organträgers

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach der insolvenzbedingten Beendigung der Organschaft beschränkt sich die Haftung der (ehemaligen) Organgesellschaft für Steuern des (ehemaligen) Organträgers gemäß § 73 AO auf solche Steuern, die während des Organschaftsverhältnisses rechtlich entstanden sind. Insoweit ist nicht etwa auf eine „insolvenzrechtliche Begründung” oder „wirtschaftliche Verursachung” des Steueranspruches abzustellen.

 

Normenkette

AO §§ 38, 73 S. 1, § 251 Abs. 3; UStG §§ 2, 17

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.04.2022; Aktenzeichen VII R 18/21)

 

Tenor

1. Der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … und in Gestalt des Teilrücknahmebescheides vom … wird dahingehend geändert, dass die Forderung um einen Betrag von … EUR (Haftung für Umsatzsteuer März 2014) reduziert wird.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine (ehemalige) Organgesellschaft für während des Bestehens der Organschaft rechtlich noch nicht entstandene Umsatzsteuer des Organträgers nach § 73 AO haftet.

Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der … GmbH bestellt. Unter Ziff. 4 des Beschlusses wurde bestimmt, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (allgemeiner Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO). Auf den Beschluss vom … wird Bezug genommen (Blatt 52 f. der Finanzgerichtsakte). Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … eröffnet.

Die … GmbH war nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten zuvor umsatzsteuerlich als Organgesellschaft in das Unternehmen der … A … GmbH eingegliedert (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Über das Vermögen der A GmbH wurde mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt A.

Bei der … A GmbH bestanden im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung u.a. Umsatzsteuerrückstände aus den Voranmeldungen für März 2014 (EUR … und EUR …, insgesamt … EUR …) und aus Umsatzsteuerschulden 2012 (EUR …), Dezember 2013 (EUR …), und Umsatzsteuer 2013 (EUR …; insgesamt EUR …). Die Umsatzsteuer für März 2014 stammt – so das beklagte Finanzamt – aus durch die Insolvenz begründete Vorsteuerkorrekturen nach § 17 UStG.

Durch Anmeldung zur Insolvenztabelle nahm der Beklagte – das Finanzamt – den Kläger für die auf Umsätze der … GmbH entfallende Umsatzsteuer für März 2014 gemäß § 73 AO als Organgesellschaft in Haftung. Da der Kläger die Forderung in vollem Umfang bestritt, erließ das Finanzamt am … den angefochtenen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO. Der Einspruch hiergegen blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom …).

Hiergegen richtet sich die am … erhobene Klage. Mit Bescheid vom … nahm das Finanzamt den Feststellungsbescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … iHv. EUR … teilweise zurück.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Organgesellschaft hafte nur für solche Steuern, die rechtlich während des Bestehens des Organschaftsverhältnisses entstanden seien. Die Organschaft habe am … mit der Bestellung des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter geendet. Die Umsatzsteuer für März 2014 sei aber rechtlich erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden seien, entstanden, d.h. am … und damit nicht während des Bestehens der Organschaft. Eine Haftungsinanspruchnahme komme daher nicht in Betracht.

Diese Auffassung sei von der Rechtsprechung des Finanzgerichts München vom 18. September 1991 (3 K 4202/88, EFG 1992 S. 373) gedeckt. Anders als das Finanzamt meine, habe das FG München auch zur hier entscheidungserheblichen Frage Stellung genommen. Die Haftung nach § 73 AO werde ausdrücklich auf die „entstandenen und fällig gewordenen” Steuern beschränkt.

Soweit das Finanzamt für die zeitliche Einordnung der Umsatzsteuer auf deren insolvenzrechtliche Verursachung abstelle, sei dieses Kriterium nur maßgebend für die Einordnung von Steueransprüchen als Insolvenzforderung nach § 38 InsO und Masseverbindlichkeiten nach §§ 53, 55 InsO, nicht jedoch für die Haftung nach § 73 AO. Der Haftungsanspruch bestimme sich allein nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten.

Nichts anderes ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu Vorsteuerrückforderungensansprüchen, wenn Beendigung der Organschaft und Uneinbringlichkeit gleichzeitig einträten. Hieraus schließe das Finanzamt zu Unrecht, dass die Vorsteuerrückforderungsansprüche d...

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