Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelte Geltendmachung von Altersvorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung als neue Tatsache. leichtfertige Steuerverkürzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Änderung eines Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben.

2. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung von einem Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt.

3. Einkommensteuer, die zunächst nicht festgesetzt wurde, weil ein nichtselbständig tätiger, auf Antrag von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiter Arzt Altersvorsorgeaufwendungen in seiner Steuererklärung doppelt, nämlich einerseits als Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung und andererseits als Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, geltend gemacht hat, ist als leichtfertig verkürzt anzusehen.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, §§ 378, 169 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Den Klägern werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 ändern durfte.

Die Kläger sind Eheleute und wurden 2006 und 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren als angestellter Chefarzt u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, deren Höhe denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (in den Streitjahren § 172 Abs. 2 SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.

In den vom Arbeitgeber des Klägers erstellten Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre waren die Beiträge zur Altersvorsorge – gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss – angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war nach dem unbestrittenen Vorbringen des FA aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

Das Versorgungswerk stellte einen „Jahreskontoausweis” aus. Dieser lautet für 2007: „wir dürfen Ihnen mit Kontostand vom 31.12.2007 die auf Ihrem Konto im Jahr 2007 bei … ≪Versorgungswerk≫ eingegangene Beitragssumme mitteilen: 10.865,52 EUR” (Bl. 38 ESt-Akten). Hinweise darauf, dass es sich hierbei um den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer handelt, der einen hälftigen Arbeitgeberzuschuss enthält, enthält die Bescheinigung nicht. Nach dem Vorbringen der Kläger stellte das Versorgungswerk für 2006 einen entsprechenden Jahreskontoausweis aus. Die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge sind mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.

Die Steuererklärungen für 2006 und 2007 wurden unter Mitwirkung einer Wirtschaftsprüfer-/

Steuerberatergesellschaft erstellt. Die Kläger gaben in den Zeilen 61 und 65 des Mantelbogens die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an. Zusätzlich trugen sie in der Zeile 63 die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks genannten Beträge ein. Ihrer Einkommensteuererklärung 2007 fügten sie den entsprechenden Jahreskontoausweis bei; ob dies auch für 2006 geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Insgesamt erklärten die Kläger die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:

2006

2007

Zeile 61 (Kläger)

5.148 EUR

5.433 EUR

Zeile 61 (Klägerin)

1.339 EUR

1.356 EUR

Zeile 63 (Kläger)

10.296 EUR

10.866 EUR

Zeile 65 (Kläger)

5.148 EUR

5.432 EUR

Zeile 65 (Klägerin)

1.338 EUR

1.355 EUR

Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben:

  • Zeile 61: „Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)”;
  • Zeile 63 (Fassung 2006): „Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen”;
  • Zeile 63 (Fassung 2007): „Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen”;
  • Zeile 65: „Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung”.

Die Einkommensteuererklärung der Kläger für 2006 wurde überschlägig geprüft. Der zuständige Bearbeiter vermerkte in der Prüfungsdokumentation durch Ankreuzen der entsprechenden Formularfelder, die Erklärung sei vollständig, schlüssig und glaubhaft (Bl. 27 ESt-Akte). Demgeg...

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