Leitsatz

1. Ist eine sog. Kostenüberdeckung nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften (hier: nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 SächsKAG für die Nutzungsentgelte im Rahmen der öffentlichen Wasserversorgung) in der folgenden Kalkulationsperiode auszugleichen (Rückgabe der Kostenüberdeckung durch entsprechende Preiskalkulation der Folgeperiode), liegt eine rückstellungsfähige ungewisse Verbindlichkeit vor.

2. Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG setzt voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers nur auf künftiges Vermögen (nicht: auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen) des Schuldners bezieht. An einer aktuellen wirtschaftlichen Belastung des Vermögens des Schuldners bestehen bei einer Rückgabe der Kostenüberdeckung durch entsprechende Preiskalkulation der Folgeperiode keine begründeten Zweifel, wenn der Betrieb, der die zukünftigen Einnahmen und Gewinne erwirtschaftet, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Dauer der Ausgleichsperiode aufrechterhalten und damit die Erfüllung der Ausgleichsverpflichtung realisiert wird.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2a EStG 2002, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SächsKAG

 

Sachverhalt

Kläger ist ein Zweckverband verschiedener Städte und Gemeinden in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Sachsen. Er hat in seinem Verbandsgebiet die Aufgabe der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung. Er erfüllt seine Aufgaben nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, ohne einen Gewinn anzustreben.

In der Preiskalkulationsperiode (den Streitjahren) 2003 bis 2006 erzielte der Kläger ausweislich von Nachkalkulationen jeweils Kostenüberdeckungen. Diese wurden im Beschluss der Preiskalkulation für den Zeitraum 2007 bis 2011 "vollständig in die Preiskalkulation eingestellt" und wirkten somit in der Folgeperiode preismindernd. Für die Kostenüberdeckungen wurden entsprechende Rückstellungen gebildet.

Das FA rechnete die Rückstellungen einkommens­erhöhend hinzu und setzte die KSt entsprechend fest. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 10.8.2011, 1 K 1487/07, Haufe-Index 2745351, EFG 2012, 820).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück:

Im Kern sei dem Kläger beizupflichten und er habe die Rückstellungen zu Recht gebildet, weil die künftigen Ausgleichsverpflichtungen hinsichtlich der "übererhobenen" Kommunalgebühren realisiert seien.

Doch bedürfe es weiterer Aufklärung des nicht revisiblen Landesrechts in Sachsen, und zwar vor allem betreffend die Frage danach, ob die Verpflichtung des Klägers nur zum Abschluss der Preiskalkulationsperiode (im Streitfall: zum 31.12.2006) zu berücksichtigen sei, oder auf der Grundlage der Nachkalkulationen mit den entsprechenden Teilbeträgen in den einzelnen Streitjahren.

 

Hinweis

1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG dürfen die kommunalen Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die Gesamtkosten (§§ 11 bis 13) der Einrichtung gedeckt werden.

§ 10 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG sieht vor, dass die Kosten bei der Gebührenbemessung in einem mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden können, der jedoch höchstens fünf Jahre umfassen soll. Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, sind nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SächsKAG innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen.

Auf dieser landesrechtlichen Basis hatte die im Besprechungsfall klagende Körperschaft des öffentlichen Rechts als kommunaler Wasserversorger seine "Preise" für einen Drei-Jahres-Zeitraum kalkuliert. Für die erhobenen "Überdeckungen" hatte der Versorger entsprechende Rückstellungen gebildet.

2. Der BFH hat dem prinzipiell beigepflichtet:

a) § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SächsKAG begründet zwar keine Verpflichtung gegenüber den Kunden der jeweiligen Kalkulationsperiode auf Herausgabe des der Kostenüberdeckung entsprechenden anteiligen Entgelts. Bei der Verpflichtung handelt es sich insoweit nicht um eine Außenverpflichtung.

Es besteht danach aber eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung kraft öffentlichen Rechts aus der verbindlichen Anweisung des § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 SächsKAG, die Kostenüberdeckung gegenüber den Kunden in der nachfolgenden Preiskalkulationsperiode "auszugleichen". Diese Verpflichtung ist "real"; ihr kann sich der Versorger nicht entziehen und es handelt sich dabei nicht nur um eine bloße kalkulatorische Anweisung.

b) Der Rückstellungsbildung steht nicht entgegen, dass infolge einer Verrechnung der Kostenüberdeckung in der Preiskalkulation der nachfolgenden Periode in jener nicht der Aufwand erhöht, sondern die Einnahmen vermindert werden. Die Verbindlichkeitsrückstellung soll im Interesse eines periodengerechten Gewinnausweises gewährleisten, dass am Bilanzstichtag verursachte potenziell gewinnmindernde Faktoren in der Bilanz berücksichtigt werden. Es kann dafür keinen Unterschied machen, ob die spätere Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit zu einer Erhöhung des Aufwands ode...

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