Unternehmen, die technisch komplizierte und wartungsanfällige Geräte verkaufen, verpflichten sich i. d. R. im Kaufvertrag für einen bestimmten Zeitraum, diese nachzubetreuen. Auch Leasingfirmen verpflichten sich im Leasingvertrag, die zukünftige Wartung der überlassenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen.

Der künftige Aufwand für die Nachbetreuung oder Wartung ist i. d. R. erheblich. Daher ist es sowohl für die Verkäufer als auch die Leasingunternehmen wirtschaftlich von Bedeutung, hierfür Rückstellungen zur bilanzieren.

6.1 Wirtschaftliche Verursachung als Voraussetzung

Für die Bildung der Rückstellung geht es letztlich um die Frage, ob die Verpflichtung wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht ist.

Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass dieses Merkmal als Voraussetzung für die Bilanzierung einer Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit erfüllt sein muss.[1]

Hingegen vertrat der BFH bislang die Auffassung, eine Rückstellung sei stets zu bilanzieren, wenn eine Verpflichtung für den Unternehmer bereits rechtlich entstanden sei. In diesem Fall komme es nicht darauf an, ob die Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden ist.

Die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr sei ein Merkmal, das nach der Rechtsprechung des BFH bei der Bilanzierung

  • künftig entstehender Verbindlichkeiten,
  • nicht hingegen bei der Passivierung dem Grunde nach bereits bestehender Verpflichtungen vorliegen müsse.

6.2 BFH versus BMF

Dieser Meinungsstreit zwischen BFH und Finanzverwaltung entzündete sich in einem Rechtsfall, der in folgendem Beispiel kurz dargestellt ist.

 
Praxis-Beispiel

Nachbetreuung eines Hörgeräteakustikers

Der Hörgeräteakustiker H liefert Mitgliedern bestimmter Krankenkassen Hörgeräte und rechnet direkt mit den Krankenkassen ab, sodass Rechtsbeziehungen nur zwischen ihm und den Krankenkassen bestehen. Nach einem Rahmenvertrag mit den Krankenkassen ist er verpflichtet, für einen Zeitraum von 6 Jahren die verkauften Hörgeräte anzupassen, bei Fehlbedienung neu einzustellen, turnusmäßig zu überprüfen und die Patienten in den Gebrauch der Geräte einzuweisen, nach Reparaturen neu einzuweisen und während des Gebrauchs fachlich zu beraten. Diese Nachbetreuungsleistungen sind während der 6-jährigen Nachbetreuungsfrist 4-mal im Jahr zu erbringen. Sie werden von den Krankenkassen nicht besonders vergütet, sondern sind mit dem Kaufpreis der Geräte abgegolten. Reparaturen werden von den Krankenkassen zusätzlich je nach Anfall vergütet.

Hier entstand bereits mit Abschluss des Kaufvertrags zwischen der Krankenkasse und H die Verpflichtung zur Nachbetreuung der betreffenden Geräte. Nach Auffassung des BFH musste daher als Voraussetzung für die Bilanzierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeit nicht zusätzlich eine wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag hinzukommen.[1]

In einem früheren Urteilsfall hatte der BFH das bereits unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausdrücklich betont.

Nur wenn es sich um eine dem Grunde nach künftige Verbindlichkeit handele, sei weitere Voraussetzung für die Bilanzierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, dass die Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden ist. Rechtliches Entstehen und wirtschaftliche Verursachung lägen dann in 2 verschiedenen Perioden. Es komme in diesem Fall für die Bilanzierung einer Rückstellung auf das frühere Ereignis an. Sei aber eine Verbindlichkeit bereits rechtlich entstanden, umfasse das zugleich ihre wirtschaftliche Verursachung.[2]

Allerdings war zwischenzeitlich fraglich, ob nicht doch als weitere Voraussetzung eine wirtschaftliche Verursachung vorliegen müsse.[3]

In seinem Urteil vom 17.10.2013[4] hat sich der IV. Senat allerdings der Auffassung des I. Senats laut Urteil vom 27.6.2001[5] angeschlossen. Somit ist bei Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung am Bilanzstichtag keine wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag erforderlich.

Besteht allerdings am Bilanzstichtag keine rechtliche Verpflichtung, setzt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten das Vorliegen einer wirtschaftlichen Verursachung voraus.

6.3 Verpflichtung zur Nachbetreuung gilt als wirtschaftliche Verursachung

Im Ergebnis decken sich die Auffassungen des BFH und des BMF. Nach Meinung des BFH reicht das Bestehen einer vor dem Bilanzstichtag dem Betrag nach ungewissen Verbindlichkeit aus. Nach Auffassung des BMF liegt in der Verpflichtung die wirtschaftliche Verursachung. Der Hinweis des BMF, es folge der Auffassung des BFH nicht, soweit dieser entschieden hat, dass vor dem Bilanzstichtag entstandene Verpflichtungen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung zu berücksichtigen sind, hat damit für die Praxis ke...

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