BMF, 11.5.2010, IV C 6 - S 2137/07/10004

Bezug: Urteil des Bundesfinanzhofes vom 19.11.2003, I R 77/01

Der BFH hat mit Urteil vom 19.11.2003, BStBl 2010 II S. …), entschieden, dass in den Fällen, in denen die zuständige Behörde von der Schadstoffbelastung eines Grundstückes und der dadurch bedingten Sanierungsverpflichtung Kenntnis erlangt, ernsthaft mit der Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung gerechnet werden müsse. Eine mögliche Teilwertabschreibung sei unabhängig von der Bildung einer Rückstellung für die Sanierungsverpflichtung zu prüfen.

Zur Bildung von Rückstellungen für Sanierungsverpflichtungen und zu Teilwertabschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG im Zusammenhang mit schadstoffbelasteten Grundstücken nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

 

I. Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten

1

Nach R 5.7 Abs. 2 der Einkommensteuerrichtlinien 2008 (EStR 2008) ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nur zu bilden, wenn

  • es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt,
  • die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist,
  • mit einer Inanspruchnahme aus einer nach ihrer Entstehung oder Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist und
  • die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.

1. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen nach dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten – Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) – vom 17.3.1998 (BGBl 1998 I S. 502), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl 2004 I S. 3214)

2

Nach § 4 Abs. 3 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.

2. Keine hinreichende Konkretisierung der Verpflichtung nach dem BBodSchG

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Die hinreichende Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung liegt vor, wenn sich ein inhaltlich bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums unmittelbar durch Gesetz oder Verwaltungsakt ergibt und an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind (vgl. R 5.7 Abs. 4 Satz 1 EStR 2008).

4

Die allgemeinen Grundpflichten zur Beseitigung von Altlasten nach dem BBodSchG schreiben kein inhaltlich bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums vor. Die Erfüllung der Grundpflicht ist auch nicht sanktionsbewehrt. Eine Ordnungswidrigkeit setzt vielmehr voraus, dass der Verpflichtete einer vollziehbaren Anordnung zuwider handelt (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG). Da sich die öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sondern den Erlass einer behördlichen Verfügung (Verwaltungsakt) voraussetzt, ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten erst zu bilden, wenn die zuständige Behörde einen vollziehbaren Verwaltungsakt erlassen hat, der ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums vorschreibt (R 5.7 Abs. 4 Satz 2 EStR 2008).

3. Wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung

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Die wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung liegt zum Zeitpunkt des Erlasses der in RdNr. 4 genannten behördlichen Anordnung vor. Der Tatbestand, an den der Verwaltungsakt die Verpflichtung knüpft, ist bereits verwirklicht (vgl. R 5.7 Abs. 5 EStR 2008). Die Erfüllung der Verpflichtung knüpft an Vergangenes an und gilt Vergangenes ab.

4. Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung

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Mit Bekanntgabe der behördlichen Anordnung (vgl. RdNr. 4) ist auch mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung im Sinne von R 5.7 Abs. 6 EStR 2008 ernsthaft zu rechnen.

 

II. Teilwertabschreibungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bei schadstoffbelasteten Grundstücken

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Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG erfordert eine Teilwertabschreibung eine voraussichtlich dauernde Wertminderung.

 

1. Grundsatz

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Die Frage einer Teilwertabschreibung ist losgelöst von der Bildung einer Rückstellung für Sanierungsverpflichtungen zu prüfen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte, die im Hinblick auf den Grundsatz der Einzelbewertung und des Vollständigkeitsgebotes – vorbehaltlich der RdNr. 9 – unabhängig voneinander zu beurteilen sind (vgl. auch Entscheidungsgründe unter II Nr. 8 Buchst. b des Urteils vom 19.11.2003).

 

2. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für eine Sanierungsverpflichtung liegen vor

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Liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für eine Sa...

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