3.1 Sachverhalt

Eigenheimbesitzer E hat sich überzeugen lassen, in seinem bisher ausschließlich für private Wohnzwecke genutzten Einfamilienhaus ein besonders effizientes Blockheizkraftwerk (BHKW) installieren zu lassen. Im Mai 2023 hat er mit einem Anbieter, der ihn zu Hause kontaktiert hatte, einen Vertrag abgeschlossen, nach dem die Anlage im Juli 2023 errichtet werden sollte, E aber schon im Juni 2023 eine Anzahlung i. H. v. 50 % des gesamten Kaufpreises entrichten sollte. Nach Vorlage einer ansonsten ordnungsgemäßen Anzahlungsrechnung im Juni 2023 überweist E dem Anbieter 50.000 EUR zuzüglich der gesondert ausgewiesenen 9.500 EUR Umsatzsteuer.

Nachdem sich bis Anfang Juli 2023 der Anbieter bei E nicht wieder gemeldet hat, erfährt E von einem zwischenzeitlich beauftragten Rechtsanwalt, dass der Anbieter mittlerweile Insolvenz angemeldet hat. Mit einer vollständigen oder teilweisen Rückzahlung der Anzahlung kann nicht gerechnet werden. Außerdem hätten sich weitere Geschädigte gemeldet und es seien staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet worden, da die versprochenen technischen Daten des BHKW darauf hindeuteten, dass es sich hier um Betrugsfälle handelt.

3.2 Fragestellung

Da E mit dem BHKW auch in nicht unerheblichem Umfang Strom in das öffentliche Netz einspeisen wollte und er mit dem Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Anlage kalkuliert hatte, bittet er um Beurteilung, ob er aus der geleisteten Anzahlung einen Vorsteuerabzug geltend machen kann.

3.3 Lösung

Grundsätzlich wird der Erzeuger auch bei dezentraler Stromerzeugung Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht Strom erzeugt. Die Lieferung von Strom führt auch zu einem steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der keiner Steuerbefreiung im Inland unterliegt. Damit wäre E grundsätzlich zum Vorsteuerabzug aus dem BHKW berechtigt.[1]

 
Wichtig

Zuordnungsfristen bei gemischt genutzten Gegenständen beachten

Das BHKW wird aber nicht ausschließlich zur Erzeugung und Einspeisung von Strom verwendet, sondern auch zum dezentralen Verbrauch von Strom und der Beheizung des nichtunternehmerisch genutzten Einfamilienhauses. Die Entnahme von Strom und von Wärme für private Zwecke führt zu einer unentgeltlichen Wertabgabe[2], die der Umsatzsteuer unterliegt. Da die unentgeltliche Wertabgabe als private Nutzung gilt, ist das BHKW nicht zwingend dem Unternehmen zuzuordnen. Der Eigentümer kann diese Anlage dem Unternehmen ganz, gar nicht oder teilweise zuordnen. Die im Regelfall gewünschte vollständige Zuordnung zum Unternehmen muss bis zum Ende der gesetzlichen Abgabefrist für Jahressteuererklärungen[3] durch nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte dokumentiert werden. Eine innerhalb dieser Frist erfolgte Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung ist nicht (mehr) notwendig.[4]

Ein Unternehmer kann aus zukünftigen Leistungsbezügen einen Vorsteuerabzug aus Anzahlungen geltend machen, wenn ihm eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und soweit er die Anzahlung entrichtet hat.[5]

Damit wäre E eigentlich im Juni 2023 zum Vorsteuerabzug aus der nachweislich entrichteten Anzahlung i. H. v. 9.500 EUR berechtigt.

Allerdings könnte im konkreten Fall die Frage gestellt werden, ob E tatsächlich Unternehmereigenschaft erwerben konnte, da das versprochene BHKW offensichtlich in der gewünschten technischen Ausstattung gar nicht lieferbar gewesen wäre. Etwas einfach ausgedrückt könnte festgestellt werden, dass aus einem gar nicht lieferbaren BHKW auch kein Strom produziert und verkauft werden könnte und somit keine Leistungen am Markt ausgeführt werden könnten. Im Ergebnis muss es aber auf die Absicht ankommen, da auch die ernsthafte Absicht, unternehmerisch tätig werden zu wollen, ausreichend für die Unternehmereigenschaft ist.[6]

In einem vergleichbaren Fall war der BFH[7] offensichtlich auch zu der Erkenntnis gekommen, dass der Vorsteuerabzug zumindest nicht an der Unternehmereigenschaft scheitert.

Es könnte weiterhin zweifelhaft sein, ob die Anzahlung im Rahmen des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu berichtigen ist. Grundsätzlich ist der Vorsteuerabzug danach zu korrigieren, wenn für eine vereinbarte Lieferung ein Entgelt entrichtet wurde, die Lieferung jedoch nicht ausgeführt worden ist. Der BFH[8] war aber bisher national davon ausgegangen, dass die Berichtigung nur dann und insoweit vorzunehmen ist, wie die Anzahlung auch wieder zurückgezahlt worden ist. Da es fraglich war, ob diese Sichtweise auch unionsrechtlich haltbar ist, hatte der BFH den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH[9] hat aber festgestellt, dass in den Fällen, in denen der potenzielle Leistungsempfänger im Moment der Anzahlung nicht wusste und nicht wissen konnte, dass die Leistung ihm gegenüber nicht erbracht werden soll und er somit nicht in betrügerische Handlungen selbst involviert ist, der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung grundsätzlich geltend gemacht werden kann.

 
Wichtig

Kein Vorsteuerabzug bei Kenntnis der Nichtlieferung

Der Erwerber hat aber keinen Vorsteuerabzug, wenn anhand ob...

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