Neben den genannten und in der Praxis des Risikomanagements besonders wichtigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen gibt es eine ganze Reihe weiterer. Für die quantitative Beschreibung von "Extremrisiken" (wie "Crashs" oder Naturkatastrophen) kommt beispielsweise die (verallgemeinerte) Pareto-Verteilung zum Einsatz.[1]

Kombinierte Verteilungen

Anstelle der unmittelbaren Beschreibung eines Risikos durch die (monetären) Auswirkungen innerhalb einer Planperiode (z. B. eines Jahres) kann auch die Beschreibung durch zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen erfolgen, die dann erst zu aggregieren sind: eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Häufigkeit eines Schadens und eine zweite für die ebenfalls unsichere Schadenshöhe je Schadensfall. Das ist bei versicherbaren Risiken üblich.[2]

Um komplexere Problemstellungen abzubilden, kann auch die Kombination von zwei Verteilungen angemessen sein. So kann man beispielsweise das Risiko aus einem Haftpflichtprozess beschreiben durch eine Kombination der Binomialverteilung mit der Dreiecksverteilung. Zunächst wird angegeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Prozess verloren wird (Binomialverteilung). Anschließend wird durch die Angabe von Mindestwert, wahrscheinlichstem Wert und Maximalwert die mögliche Schadenssumme spezifiziert.

 
Praxis-Beispiel

Quantitative Beschreibung eines Risikos

Betrachtet wird das Risiko möglicher Schäden durch einen Produkthaftpflicht-Prozess. Hier werden zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen kombiniert. Zunächst wird die Wahrscheinlichkeit geschätzt, dass der juristische Prozess überhaupt verloren geht (Binomialverteilung). Gestützt auf eine Expertenbefragung schätzt die Geschäftsführung die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage vor Gericht auf 30 % ein. Die Höhe der Schadensersatzzahlung im Falle der Niederlage ist auch unsicher. Diese wird abgeschätzt durch

(a) Mindestwert 1 Mio.,
(b) wahrscheinlichsten Wert 2 Mio. und
(c) Maximalwert 5 Mio. (Dreiecksverteilung).

Bei der Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten und Bandbreiten können unterschiedliche Informationsquellen (verschiedene Experteneinschätzungen) genutzt werden, da gerade die Heterogenität der Experteneinschätzung viel über den Umfang eines Risikos verrät. Auch ist es möglich (und oft sinnvoll), die Unsicherheit über die Eintrittswahrscheinlichkeit selbst darzustellen (Parameterunsicherheit). So könnte man beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass der Prozess verloren geht, auch durch die Bandbreite 20 % bis 40 % beschreiben.

Im Allgemeinen lassen sich "kombinierte Verteilungen" nicht mehr durch eine einfache Verteilungsfunktion beschreiben. So ist z.B. die Summe von zwei dreiecksverteilten Größen nicht mehr selbst dreiecksverteilt. Aber zumindest der Erwartungswert kombinierter Verteilungen lässt sich im Allgemeinen leicht berechnen. Im Fallbeispiel ist der Erwartungswert des Schadens im Falle einer Niederlage vor Gericht gerade . Die Wahrscheinlichkeit den Prozess zu verlieren, beträgt 30 %. Insgesamt ist damit der Erwartungswert des Schadens 30 % × 2,67 Mio. = 0,8 Mio.

Für die Bewertung eines Risikos kann man sich orientieren an

  • tatsächlich in der Vergangenheit eingetretenen Risikowirkungen (Schäden),
  • an Benchmark-Werten aus der Branche oder
  • an selbst erstellten (realistischen) Schadensszenarien, die dann präzise zu beschreiben und hinsichtlich einer möglichen quantitativen Auswirkung auf das Unternehmensergebnis zu erläutern sind.

Hierbei sind grundsätzlich die Konsequenzen für die Umsatz- und die Kostenentwicklung zu betrachten.

Die bisher im Kontext der quantitativen Beschreibung eines Risikos betrachteten Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschreiben die Risikowirkung zu einem Zeitpunkt oder in einer Periode. Die Wirkung vieler Risiken ist allerdings nicht auf einen Zeitpunkt oder eine Periode beschränkt.

Um beispielsweise das Wechselkursrisiko adäquat zu erfassen, sollte die gesamte unsichere zukünftige Entwicklung des zugrunde liegenden (exogenen) Risikofaktors, z. B. des Dollarkurses, betrachtet werden. Dabei sind Abhängigkeiten der Risikoauswirkung von Periode zu Periode zu berücksichtigen. So wirkt sich bspw. eine (unerwartete) Veränderung des Dollarkurses im Jahr 01 auch auf das Folgejahr 02 aus: Der Dollarkurs am Ende des Jahres 01 ist nämlich der Startkurs des Jahres 02.

Stochastische Prozesse zur mehrperiodigen Betrachtung

Um die zeitliche Entwicklung unsicherer Plangrößen oder exogener Risikofaktoren zu beschreiben, sind daher sog. stochastische Prozesse notwendig, die man als mehrperiodige Wahrscheinlichkeitsverteilungen umschreiben könnte.[3]

[1] Siehe hierfür weiterführend Zeder, 2007.
[2] Beispiel: Bei vielen versicherbaren Risiken nimmt die Versicherungsgesellschaft an, dass sich die Anzahl der Risiken durch eine (hier nicht näher betrachtete) Poisson-Verteilung beschreiben lässt. Die Schadenshöhe wird beispielsweise beschrieben durch eine Log-Normalverteilung (logarithmierte Normalverteilung).
[3] Weiterführend zu stochastischen Prozessen siehe beispielsweise Albrecht/Maurer, 2005.

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