Rz. 164

Die Abschlussprüfung ist grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet, strafrechtliche Tatbestände (z. B. Untreuehandlungen, Unterschlagungen, Kollusion) und außerhalb der Rechnungslegung begangene Ordnungswidrigkeiten aufzudecken und aufzuklären. Gemäß § 317 Abs. 1 Satz 3 HGB hat der Abschlussprüfer seine Prüfung so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften und die sie ergänzenden Bestimmungen oder die Satzung bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden. Sofern der Abschlussprüfer derartige Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung seiner Tätigkeit feststellt, hat er im Vorspann des Prüfungsberichts darüber zu berichten.[1] Grundlage dieses Gliederungspunktes ist der IDW Prüfungsstandard: "Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung".[2]

Abb. 27: Beispiel für eine Checkliste zur Lageberichtsprüfung

 

Rz. 165

Falsche Angaben (fehlerhafte oder vorschriftswidrig unterlassene Angaben), die auf Unrichtigkeiten oder Verstöße zurückzuführen sind, können in Jahres- und Konzernabschlüssen sowie den dazugehörenden Lageberichten enthalten sein. Fehlerhaft ist eine Angabe, wenn eine oder mehrere der in ihnen enthaltenen Aussagen nicht zutreffen.

 

Rz. 166

Der in Rede stehende Prüfungsstandard differenziert (vgl. Abb. 28)[3] zwischen "Unrichtigkeiten" (Error) als unbeabsichtigt falsche Angaben im Abschluss und Lagebericht und "Verstößen" (Fraud) als falsche Angaben im Abschluss und Lagebericht, die auf einem beabsichtigten (vorsätzlichen) Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder Rechnungslegungsgrundsätze beruhen. Verstöße werden weiterhin in "Täuschungen" (falsche Angaben im Abschluss und Lagebericht sowie Fälschen der Buchhaltung) und Vermögensschädigungen (z. B. widerrechtliche Aneignung von Gesellschaftsvermögen) sowie Gesetzesverstöße (z. B. Missachtung der Steuergesetze) unterschieden.

 

Rz. 167

Verantwortlich für die Vermeidung und Aufdeckung von Unrichtigkeiten und Verstößen sind die gesetzlichen Vertreter der Unternehmen. Diese haben hierzu organisatorische Maßnahmen, wie z. B. ein geeignetes IKS, einzuführen und zu unterhalten. Die Aufsichtsorgane (z. B. Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung) tragen neben den gesetzlichen Vertretern Verantwortung für eine wirksame Unternehmensüberwachung. Durch die Überwachung der Geschäftsführung ist sicherzustellen, dass die von den gesetzlichen Vertretern eingerichteten Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Aufdeckung von Unrichtigkeiten und Verstößen wirksam sind. Der Abschlussprüfer ist deshalb nicht verantwortlich für die Verhinderung von Unrichtigkeiten und Verstößen. Nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB hat er über bei der Prüfung festgestellte Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften sowie Tatsachen, die den Bestand des geprüften Unternehmens oder Konzerns gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen, im Prüfungsbericht zu berichten. Während falsche Angaben in der Rechnungslegung (z. B. unbewusste oder bewusste Falschbilanzierung) stets Konsequenzen sowohl auf die Berichterstattung im Prüfungsbericht und die Erteilung des Bestätigungsvermerks (ggf. Einschränkung oder Versagung des Testats) haben, führen (sonstige) unbeabsichtigte oder beabsichtigte Gesetzesverstöße, die keine falschen Angaben in der Rechnungslegung nach sich ziehen, nur zu Berichterstattungsfolgen im Prüfungsbericht (z. B. gesetzlich verbotene Waffenlieferungen in Krisenstaaten, die aber korrekt bilanziert wurden).

Abb. 28: Systematisierung von Unregelmäßigkeiten und ihrer Konsequenzen für die Abschlussprüfung

[2] Vgl. IDW PS 210, IDW, IDW Prüfungsstandards, IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung, Band I S. 1 ff., Stand: 11/2021.
[3] Modifiziert entnommen aus IDW PS 210, IDW, IDW Prüfungsstandards, IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung, Band I Rz. 7, Stand: 11/2021; Hofmann, in Freidank/Peemöller, Kompendium der Internen Revision, 2011, S. 387.

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