Prozesskostenrechnung im Fokus der Kritik

Die Prozesskostenrechnung hat von Beginn an viel Kritik auf sich gezogen. Diese entzündete sich vor allem an der oft mehrfachen Schlüsselung von Gemeinkosten, der unscharfen Abgrenzung von Prozessen und der pauschalen Ableitung von Handlungsempfehlungen auf Basis der so ermittelten Prozesskosten[1]. Hinzu kommt der hohe Aufwand der Einführung und des Einsatzes, was viele Unternehmen von einer Anwendung abzuhalten scheint.

Prozesskosten als Heuristik

Hinzu kommt, dass nicht jeder Rechenschritt im Einzelnen theoretisch begründbar ist und die ermittelten Prozesskosten größtenteils "heuristischer" Natur sind, d. h., sie können eher als Daumenregel und grober Hinweis gelten, aber nicht als exakte Rechenergebnisse. Doch auch ein gröberes Instrument ist besser als keines. Die Prozesskostenrechnung kann ein Nachdenken, Hinterfragen und Ändern der Gemeinkosten und der dahinterstehenden Prozesse anstoßen.

Es besteht die Gefahr, dass aufgrund unscharfer Informationen falsche Entscheidungen getroffen werden, wie beispielsweise ein Produkt nicht mehr zu vertreiben, da die zugerechneten Prozesskosten zu hoch erscheinen. Durch die kurzfristig meist nicht abbaubaren anteiligen Gemeinkosten hätte dies einen Anstieg der zugerechneten Prozesskosten auf andere Produkte oder steigende, nicht auf Prozesse verrechnete, Gemeinkosten zur Folge. Solange jedoch kein anderes Rechensystem existiert, um solche Entscheidungen besser zu unterstützen, ist es sinnvoller, zumindest ein derartiges grobes Instrument einzusetzen.

Fokus der Problem- und Ursachenbetrachtung auf Strukturen und Prozesse

Ein weiterer, selten beachteter Aspekt der Prozessorientierung ist, dass sie dabei helfen kann, den Fokus der Problem- und Ursachenbetrachtung auf Strukturen und Prozesse zu verschieben. Typischerweise lassen sich Probleme in Organisationen aus Sicht von Managern auf 2 Gründe zurückführen: Entweder liegt es an den Menschen oder an den Strukturen und Prozessen der Organisation. Fehler als Ergebnis von menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten zu sehen liegt dabei in der Natur des Menschen. Dabei kann der Einzelne wenig dafür, wenn er durch vorhandene Organisationsmängel benötigte Informationen und Ressourcen nicht erhält oder nicht über die nötigen Entscheidungskompetenzen verfügt.

Die Prozesskostenrechnung kann im besten Fall den Fokus der Problem- und Ursachenbetrachtung auf Strukturen und Prozesse verschieben. Durch die Bemühungen, Probleme als prozessgetrieben zu sehen und diese Prozesse zu verbessern, können dieselben Mitarbeiter eine höhere Leistung erbringen als vorher. Dies setzt nicht nur eine Perspektivenverschiebung voraus, sondern auch Geduld, abzuwarten und vorübergehende Verschlechterungen auszuhalten, denn Prozessverbesserung benötigt Ressourcen, die bei der bisherigen Aufgabenerfüllung fehlen, und wird in der Übergangszeit des Lernens eher zu noch mehr Problemen führen, da neue Methoden und Vorgehensweisen erlernt werden müssen[2]. Dies steht allerdings in Spannung zu einer Tendenz, Prozesse immer noch genauer, umfassender und in kürzeren Zeiträumen zu evaluieren und bei Abweichungen schnell zu reagieren.

[1] Vgl. Schweitzer/Küpper, 2011, S. 379 ff.
[2] Vgl. Repenning/Sterman, 2002.

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