Leitsatz

Wird ein durch die Zeichnung von Wandelschuldverschreibungen begründetes Wandelungsrecht dadurch ausgeübt, dass der Steuerpflichtige Aktien des Emittenten unter Zuzahlung des festgesetzten Wandelungspreises erwirbt, schafft er diese i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an. Veräußert er die Aktien innerhalb der Jahresfrist wieder, so liegt ein privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 221 AktG

 

Sachverhalt

Der Kläger war als Prokurist bei einer Bank beschäftigt. Er erwarb von seiner Arbeitgeberin Wandelschuldverschreibungen. Durch die Ausübung des Wandlungsrechts verzichtete er nach Maßgabe der Ausgabebedingungen auf die Rechte aus der Schuldverschreibung und erwarb gegen Zuzahlung eine bestimmte Anzahl von Aktien, die er binnen eines Jahres nach Ausübung des Wandlungsrechts veräußerte. Der Kläger war der Meinung, er habe die Aktien durch einen einheitlichen Vorgang im Zeitpunkt des Erwerbs der Wandelschuldverschreibungen angeschafft. Das FA sah dies anders und berücksichtigte bei dem Kläger einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Das FG Köln hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.9.2013, 15 K 3567/11, Haufe-Index 6330395, EFG 2014, 275).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG aus den dargestellten Gründen im Ergebnis bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

 

Hinweis

In welchem Zeitpunkt sind Aktien angeschafft, wenn sie durch Ausübung des Wandlungsrechts aus einer Wandelschuldverschreibung gegen Zuzahlung erworben werden? Diese für die Berechnung der Jahresfrist in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entscheidende Frage war im Streitfall zu beurteilen.

1. Zivilrechtlich liegt in der Ausübung des Wandlungsrechts aus einer Wandelschuldverschreibung kein Tauschgeschäft. Die Wandlung ist kein gegenseitiger Vertrag, sondern die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts, das mit der Schuldverschreibung von Anfang an verbunden ist. Das gilt auch dann, wenn – wie im Streitfall – die Anleihebedingungen vorsehen, dass die Aktien nur unter Verzicht auf die Rechte aus der Schuldverschreibung erworben werden können.

2. Der Reichsfinanzhof hat daraus abgeleitet, dass der Erwerb der Wandelschuldverschreibung und die Ausübung des Wandlungsrechts in Bezug auf die Anschaffung der Aktien beim Aktionär als einheitlicher Vorgang zu behandeln ist (Reichsfinanzhof, Urteil vom 24.8.1944, I 21/44, RFHE 54, 128). Demzufolge werden die Aktien steuerrechtlich bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Wandelschuldverschreibung angeschafft und nicht erst im Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts. Die Ausübung des Wandlungsrechts führt auch nicht zu einer Realisierung der in den Schuldverschreibungen ruhenden stillen Reserven, bleibt also steuerrechtlich beim Aktionär ohne Auswirkungen.

2. Der BFH hatte sich bisher in zwei Fällen mit dieser Rechtsprechung befasst.

a) In einer Entscheidung von 1973 (Urteil vom 21.2.1973, I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460) hat der BFH diese Rechtsprechung nur obiter dictum bestätigt. Es ging dort nicht um die Besteuerung des Aktionärs, sondern um die Behandlung von Kosten für die Ausgabe und Auslosung von Wandelschuldverschreibungen bei der Gesellschaft. Insofern, so der BFH, sei der These von einem einheitlichen Vorgang für die Besteuerung der Gesellschaft gerade nicht zu folgen.

b) In einer neueren Entscheidung hat der BFH die RFH-Rechtsprechung ebenfalls beiläufig bestätigt für den in den Emissionsbedingungen vorgesehenen Umtausch von Wertpapieren mit variablem Zins (Floating-Rate-Notes) in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds). Der Erwerber habe die festverzinslichen Schuldverschreibungen bereits mit Erwerb der Floating-Rate-Notes angeschafft. Durch den Umtausch änderten sich lediglich die Zinsbedingungen für die ursprünglich erworbenen Papiere.

3. Im Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die Ausübung eines entgeltlich erworbenen Wandlungsrechts eine Anschaffung darstellt oder nicht. Die Nachweise ergeben sich aus der Besprechungsentscheidung.

4. Die Besprechungsentscheidung grenzt sich von der vorhandenen Rechtsprechung ab. Begründet wird dies jedoch allein mit den tatsächlichen Besonderheiten des Falles. Ist neben der Ausübung des Wandlungsrechts eine Zuzahlung erforderlich, um die Aktien erwerben zu können, werden die Aktien erst im Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts und der Zahlung angeschafft. Denn durch die Zuzahlung erhöhen sich die Anschaffungskosten für die Aktien; von einem einheitlichen Anschaffungsvorgang kann insofern keine Rede mehr sein.

5. Ausdrücklich offengelassen hat der Senat, wie er heute bei einer Ausübung des Wandlungsrechts ohne Zuzahlung entscheiden würde. Die Praxis wird insofern eine höchstrichterliche Klärung abwarten müssen. Der Entscheidung kann leider nicht vorgegriffen werden. Man kann allerdings bezweifeln, ob die zivilrechtliche Einordnung des Vorgangs als einseitiges oder zweiseitiges Rechtsgeschäft für die steu...

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