5.1 Weichen melden Reparaturbedarf

DB und Big Data

Energieverbräuche spielen auch bei der PdM-Anwendung der Bahn eine Rolle. DB ist ganz "Big Data":

  • DB betreibt das größte Schienennetz Europas. Es ist mit 33.600 km dreimal so lang wie die deutschen Autobahnen zusammen.
  • Im Schienennetz der DB werden 72.000 Weichen eingesetzt, wovon 48.500 beheizt sind.
  • Pro Tag fahren auf dem Schienennetz der DB 26.000 Personenzüge.

Jede Weiche hat eine bestimmte Lebensdauer, danach muss sie insgesamt oder in Teilen ausgetauscht werden. Wichtige Komponenten jeder Weiche sind Elektromotoren, die die Weichenzunge antreiben. Ausfälle dieser Motoren lassen sich präventiv diagnostizieren. Die eingesetzte Technik ähnelt einem EKG, das dem Arzt Auskunft darüber gibt, wie fit und gesund der Patient aktuell ist. Analoges leistet die Diagnose- und Analyseplattform (DIANA) für die Weichen. Sensoren erfassen den Stromverbrauch jedes Antriebsmotors der Weiche und übermitteln die Daten an DIANA. DIANA gleicht diese mit einem Sollwert ab. Wenn die Werte der Weiche denen der Referenzstromkurve entsprechen, funktioniert sie korrekt. Stellt DIANA hingegen Abweichungen fest, schlägt die Software Alarm.[1] Die Software lernt so selbständig aus den Daten, um Parameter der Algorithmen automatisch anzupassen. Bis 2020 sollen es 30.000 Weichen mit Sensoren versehen werden.[2]

Der Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Wartungsbedarf ist auch hier sofort nachvollziehbar. Ebenso offensichtlich ist der Nutzen dieser digitalen Anwendung für die DB. Sie kann mit weniger Personal einen viel größeren Streckenbereich versorgen, da das Personal dann eingesetzt wird und mit dem Pkw zu der Weiche fährt, wenn DIANA ihnen dafür einen Wartungsbedarf gemeldet hat.

Abb. 3: Schema der digitalen Weichendiagnose bei DIANA[3]

5.2 Probleme bei Modellierung seltener, aber kumulierter Ereignisse

Risiken verzerrter Modelle

Trotz aller Leistungsfähigkeit eines solchen PdM-Vorhersagemodells ergeben sich jedoch auch dafür Grenzen: Diese können bspw. darin bestehen, dass die für das Modell verfügbaren Daten keine Situationen abdecken, die zwar nur sehr selten auftreten, aber dennoch möglich sind. Durch deren Vernachlässigung ist das Modell verzerrt und stellt nur einen Teil der Realität dar. Wenn sich Analytiker und Management dessen nicht bewusst sind, wird dies zu Problemen führen, es ist nur eine Frage der Zeit. Denn Machine Learning-Algorithmen wie die von DIANA besitzen natürlich nicht das Wissen der erfahrenen Techniker der Bahn.

Es wäre deshalb eine gute Strategie, für die Modellbildung für PdM für die Weichen vorliegende Störungsprotokolle von Weichen zu analysieren, um möglichst viele der möglichen Störungsursachen zu ermitteln und im Modell zu berücksichtigen. So lassen sich auf jeden Fall "Überraschungen" oder gar strategische Fehlentscheidungen vermeiden. Es kann allerdings schwierig und mühsam werden, wenn man dafür erst die Kritzeleien des Technikers auf Papier entziffern und erneut erfassen muss, d. h. wenn die Erfassung von Störungen nicht digital erfolgt.

Welche Konsequenzen dies haben kann zeigt das folgende aktuelle Beispiel:

Am 18. März 2018 führten kaum 20 Zentimeter Schnee und einstellige Frostwerte zum Stillstand aller Züge am Leipziger Hauptbahnhof. Verantwortlich für das Chaos waren nach Bahnangaben mehrere Weichen im Vorfeld des Hauptbahnhofes.

Es ist nicht bekannt (und auch für das Beispiel nicht erheblich), ob und wie viele Weichen des Hauptbahnhofs Daten an DIANA liefern und ob, wie in der Presse von ehemaligen Bahnmitarbeitern berichtet wurde, Weichenheizungen viel zu spät eingeschaltet wurden oder aus Kostengründen im Gleisbereich zwischen der Berliner Straße und der Rackwitzer Straße sogar Weichen ohne Heizungen verbaut wurden.[1]

Kumulierte Schadensereignisse

In der Versicherungsbranche spricht man von kumulierten Schadensereignissen, wenn z. B. durch Wetterereignisse zahlreiche Systeme ausfallen. All das war durch genaue kleinräumige Wetterprognosen und einen normalen Winter sehr gut vorhersehbar.

Dass das funktioniert, zeigt der Einsatz von Siemens-Bahntechnik bei der russischen Eisenbahngesellschaft RZD. Diese hat eine Verfügbarkeit von 99,9 % – "während hierzulande Weichen und Türen einfrieren, rollen russischen Bahnen auch bei Temperaturen von bis zu minus 40 Grad."[2]

Herausforderungen für das Management

Prädiktive Instandhaltung fordert das Management: Einmal für Ressourcenverschiebungen hin zu innovativen Projekte, um diesen einen Übergang von Forschung und Entwicklung hin zur operativen Lösung zu ermöglichen. Manager müssen aber auch entscheiden können, ob die digitalen Modelle ausreichend sind und zu welchen Auswirkungen Sparmaßnahmen und der Rückbau von Infrastruktur führen werden.

Mit Daten und Prescriptive Analytics lassen sich sogar hierfür Szenarien durchspiele...

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