Leitsatz

1. Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über nicht näher konkretisierte Umsatzsteuervergütungsansprüche ist auch dann hinsichtlich der bei seiner Zustellung bereits entstandenen Ansprüche hinreichend bestimmt, wenn der letzte betroffene Vergütungszeitraum nicht benannt ist.

2. Ein solcher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist dahin auszulegen, dass alle bereits entstandenen Vergütungsansprüche betroffen sind.

3. Sofern er ferner dahin auszulegen ist, dass auch zukünftig entstehende Vergütungsansprüche betroffen sein sollen, und eine solche Pfändung einer unbestimmten Vielzahl von künftigen Ansprüchen mangels Bestimmtheit nichtig sein sollte, wäre er nur insoweit, nicht jedoch insgesamt auch hinsichtlich der schon entstandenen Ansprüche nichtig.

4. Erteilt sich der alleinige Anteilseigner und Geschäftsführer einer GmbH durch Satzungsänderung Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens, so ist ein solcher Beschluss dahin zu verstehen, dass die Befreiung auch im Liquidationsstadium fortbestehen soll.

 

Normenkette

§ 37 AO , § 46 AO , § 226 AO , § 218 Abs. 2 AO , § 181 BGB , § 389 BGB , § 398 BGB , § 35 Abs. 1 GmbHG , § 60 GmbHG , § 66 GmbHG , § 70 GmbHG

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte gegen eine GmbH mehrere rechtskräftige Vollstreckungstitel erwirkt. Zu deren Vollstreckung erließ das Amtsgericht einen dem FA zugestellten Beschluss über die Pfändung angeblicher Ansprüche der GmbH auf "Auszahlung eines evtl. Erstattungsbetrags der Umsatz- und Einkommensteuer". Das FA versagte dieser Pfändung mit einer Drittschuldnererklärung die Anerkennung wegen nicht eindeutiger Bezeichnung des Erstattungsanspruchs. Der Kläger erwirkte deshalb weitere, präziser als der vorgenannte gefasste Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, durch die außerdem weitergehende Forderungen des Klägers vollstreckt werden sollten; diese Beschlüsse wurden dem FA jedoch erst zugestellt, nachdem die Umsatzsteuererstattungsansprüche der GmbH von deren alleinigem Anteilseigner und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer an das FA zur Verrechnung mit dessen eigenen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerschulden abgetreten worden waren. Der Kläger machte jedoch die Unwirksamkeit dieser Abtretungen geltend, weil verbotenes Selbstkontrahieren (§ 181 BGB) vorliege.

Im Gesellschaftsvertrag der GmbH war einer der damaligen Mitgesellschafter unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zum Geschäftsführer der GmbH bestellt worden. Dieser schied jedoch später aus, und alle Gesellschaftsanteile vereinigten sich in der Hand des vorgenannten Gesellschafters. Dieser bestellte sich zum neuen Geschäftsführer und erklärte dabei zur notariellen Beurkundung, er befreie sich vom Verbot des § 181 BGB, was im Handelsregister eingetragen wurde. Bevor es zu der eben erwähnten Abtretung von Ansprüchen der GmbH an den Gesellschafter-Geschäftsführer und dessen Verrechnungsantrag gegenüber dem FA kam, war jedoch ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt und mangels Masse abgelehnt worden.

 

Entscheidung

Der BFH sieht den ersten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als wirksam, insbesondere ausreichend bestimmt an. Es habe zur bestimmten Bezeichnung der gepfändeten Forderungen weder der Angabe bedurft, bis zu welchem vergangenen Veranlagungszeitraum die Pfändung reichen solle, noch inwieweit sie künftige Umsatzsteueransprüche erfassen solle, wobei sie, wenn sie sich auf solche künftigen Ansprüche beziehen sollte, ohnehin nichtig sei.

Hingegen sieht der BFH die Abtretung der Umsatzsteuerforderungen der GmbH an deren alleinigen Gesellschafter als wirksam, den Anspruch auf Auszahlung der erst durch die späteren Pfändungsmaßnahmen vollstreckten Beträge also als unbegründet an. Der Gesellschafter sei zwar im Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr Geschäftsführer der GmbH, sondern deren Liquidator gewesen (gesetzliche Folge der Rechtskraft des Beschlusses über die Ablehnung des Konkursverfahrens mangels Masse). Es könne zweifelhaft sein, ob die dem Geschäftsführer erteilte Befreiung nach § 181 BGB auch für einen solchen Liquidator gelte. Im Streitfall habe sich jedoch der alleinige Gesellschafter der GmbH die Befreiung erteilt. Diese sei dahin auszulegen, dass sie im Liquidationsstadium fortwirken solle. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der alleinige Gesellschafter bei der Befreiungserklärung Liquidationsgläubiger der Gesellschaft oder gar sich selbst für den Fall der Liquidation vor sich schützen wolle, indem er die Befreiung auf ein Kontrahieren mit der werbenden Gesellschaft beschränke.

 

Hinweis

1. Pfändungsbeschlüsse bzw. -verfügungen müssen die gepfändete(n) Forderung(en) genau bezeichnen. Das ist eine Folge des Umstands, dass die Einzelzwangsvollstreckung sich immer gegen bestimmte einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners, nicht gegen dessen Vermögen als Ganzes richtet.

Allerdings wird dieser Grundsatz dadurch gewissermaßen relativiert, dass sich Vollstreckungsmaßnahmen gleichzeitig gegen eine Mehr- oder sogar V...

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