Entscheidungsstichwort (Thema)

Unveränderte gebliebene Feststellung einer Steuerforderung in einer Insolvenztabelle als Grundlage für eine Duldungspflicht i.S.d. § 191 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Eine unveränderte gebliebene Feststellung einer Steuerforderung in einer Insolvenztabelle ist Grundlage für eine Duldungspflicht im Sinne des § 191 AO.

 

Normenkette

AO § 77 Abs. 2 S. 1, § 191; VwGO § 130a; InsO § 178 Abs. 3

 

Verfahrensgang

VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 22.01.2010; Aktenzeichen 4 A 311/09)

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Duldungsbescheid der Beklagten.

Mit Grundsteuermessbescheid vom 28. Mai 2002 setzte das Finanzamt Merseburg den Grundsteuermessbetrag für das ursprünglich im Eigentum der T. Kunststoffverarbeitung GmbH stehende Grundstück Gemarkung B-Stadt, Flur A, Flurstück 69, auf den 1. Januar 2000 auf 1.031,99 EUR fest.

Mit Bescheid vom 26. November 2002 setzte die Beklagte die Grundsteuer für das vorstehende Grundstück für die Jahre 2000 bis 2002 in Höhe von jährlich 3.147,57 EUR und mit weiterem Bescheid vom 10. Januar 2003 die Grundsteuer für das Jahr 2003 in Höhe von ebenfalls 3.147,57 EUR gegen die T. Kunststoffverarbeitung GmbH fest.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 1. September 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. Kunststoffverarbeitung GmbH eröffnet.

Unter dem 20. Oktober 2003 meldete die Beklagte ausweislich eines Aktenauszugs des Amtsgerichts Halle-Saalkreis – Insolvenzgericht (…) – eine Grundsteuerforderung (einschließlich Säumniszuschlägen und Mahngebühren) in Höhe von 13.599,78 EUR an. Nach dem Inhalt des Aktenauszugs wurde die Forderung unter dem 26. November 2003 festgestellt.

Mit Bescheid vom 6. April 2005 hob das Finanzamt den Grundsteuermessbescheid vom 28. Mai 2002 auf. Mit Grundsteuermessbescheid vom 6. März 2006 setzte das Finanzamt Merseburg den Messbetrag für das Grundstück auf den 1. Januar 2000 auf wiederum 1.031,99 EUR fest.

Mit Bescheid vom 20. März 2006 setzte die Beklagte die Grundsteuer für das in Rede stehende Grundstück für die Jahre 2000 bis 2006 in Höhe von jährlich 3.147,57 EUR gegenüber dem Insolvenzverwalter fest.

Am 10. Juli 2006 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt.

Mit Kaufvertrag vom 1. März 2007 erwarb die Klägerin das Grundstück von der T. Kunststoffverarbeitung GmbH.

Mit dem angefochtenen Duldungsbescheid vom 19. März 2008 gab die Beklagte der Klägerin auf, wegen der als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhenden Grundsteuerforderungen in Höhe von 25.180,56 EUR die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008 zurück.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2009 widerrief die Beklagte den Duldungsbescheid vom 19. März 2008, soweit darin ein Betrag von mehr als 21.213,30 EUR gefordert werde. Hierbei berücksichtigte sie die aufgrund der Änderung des Grundsteuermessbetrages zum 1. Januar 2005 geminderte Grundsteuerforderung gegenüber der T. Kunststoffverarbeitung GmbH.

Bereits am 15. Juli 2008 hatte die Klägerin Klage erhoben: Der Duldungsbescheid sei im Hinblick auf die Grundsteuer für die Jahre 2000 bis 2003 rechtswidrig, da die Steuer für diesen Zeitraum nicht wirksam festgesetzt worden sei. Die Festsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter betreffe Insolvenzforderungen und sei unwirksam. Im Übrigen sei der Duldungsbescheid ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass der Einheitswert zu hoch angesetzt sei. Dies zeige die mit dem Bescheid vom 12. Mai 2009 vorgenommene Verminderung des Einheitswertes zum 1. Januar 2005.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit die Beklagte den Duldungsbescheid vom 19. März 2008 mit Bescheid vom 12. Juni 2009 teilweise widerrufen hat.

Die Klägerin hat beantragt,

den Duldungsbescheid der Beklagten vom 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 und in der Fassung des Teilwiderrufsbescheides vom 12. Juni 2009 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 22. Januar 2010 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben und – in dem vorliegend allein interessierenden Zusammenhang – den Duldungsbescheid der Beklagten aufgehoben, soweit darin ein Betrag von mehr als 8.623,02 EUR gefordert wird: Dem Duldungsbescheid stehe insoweit der Grundsatz der Akzessorietät der Duldungspflicht entgegen. Für die Jahre 2000 bis 2003 liege keine wirksame Festsetzung der Grundsteuer vor. Der Grundsteuerbescheid vom 20. März 2006 sei unwirksam, soweit hierin die Grundsteuer für die Kalenderjahre 2000 bis 2003 festgesetzt werde. Die Grundsteuer sei eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO. Die Forderung sei daher zur Tabelle anzumelden. Der an den Insolvenzverwalter gerichtete Grundsteuerbescheid vom 20. März 2006 sei insoweit unwirksam. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses d...

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