Leitsatz

1. Die Voraussetzungen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft bestimmen sich allein nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die aktienrechtliche Abhängigkeitsvermutung nach § 17 AktG hat insoweit keine Bedeutung.

2. Die organisatorische Eingliederung setzt vo­raus, dass der Organträger eine von seinem Willen abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft verhindern kann.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Ge­sell­schafts­anteile an der Klägerin (GmbH) hielten der Einzelunternehmer B zu 51 %, die X KG zu 49 %.

Gesellschafterbeschlüsse bei der Klägerin waren nach der Satzung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen. Für Entlastung, Ab­berufung und Bestellung von Geschäftsführern bestand ein Einstimmigkeitserfordernis. Beide Gesellschafter konnten jeweils einen (einzelvertretungsberechtigten) Geschäftsführer benennen und taten dies.

Die Klägerin behandelte ihre Leistungen an das Einzelunternehmen des B und an eine zu 98 % von B gehaltene GmbH unter Hinweis auf die Organschaft als nichtsteuerbar. Das FG bestätigte -- gegen das FA -- die Auffassung (EFG 2006, 1462).

 

Entscheidung

Der BFH verneinte eine Organschaft, weil keine Personenidentität in den Vertretungsorganen vorlag, da die Klägerin auch von einem vom Minderheitsgesellschafter bestellten einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer geführt wurde und es dem Mehrheitsgesellschafter B auch nicht möglich war, eine von seinem Willen abweichende ­Willensbildung in der Organgesellschaft zu verhindern. Welche Bedeutung eine die gesellschaftsrechtlichen Regelungen relativierende "Geschäftsführerordnung" für die Eingliederung Bedeutung haben könnte, ist zweifelhaft. Der BFH konnte dies im Streitfall offen lassen, weil die behauptete Einschränkung nur mündlich vereinbart war und ggf. bei Verstößen gegenüber Dritten nicht nachzuweisen war.

 

Hinweis

1. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert die umsatzsteuerrechtliche Organschaft eigenständig, ohne auf andere z.B. aktienrechtliche Regelungen zu verweisen. Entscheidend ist -- in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht -- allein, ob eine ju­ristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die aktienrechtliche Vermutung (§ 17 Abs. 2 AktG), dass ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist, hat deshalb umsatzsteuerrechtlich keine Bedeutung.

2. Für die Annahme einer Organschaft ist es nicht erforderlich, dass sich alle drei genannten Merkmale einer Eingliederung gleichermaßen deutlich feststellen lassen. Es reicht aber nicht aus, dass eine Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Merkmale besteht. Allein von der finanziellen Eingliederung kann deshalb -- ohne zusätzliche Anhaltspunkte -- weder auf die wirtschaftliche Eingliederung noch auf die organisatorische Eingliederung geschlossen werden. Die aktienrechtliche Organschaft in § 17 AktG knüpft an das bloße Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung und ist deshalb für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung nicht brauchbar.

3. Die organisatorische Eingliederung setzt vo­raus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird. Es kommt da­rauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht möglich ist. Die organisatorische Eingliederung kann sich aus einer personellen Verflechtung über die Vertretungsorgane von Organträger und Organgesellschaft wie z.B. bei einer Personenidentität in den Leitungsgremien ergeben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 26/06

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