Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Pflichtverletzungen und Zahlungen nach Insolvenzreife

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Prozess gegen den GmbH-Geschäftsführer muss die einen Anspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG verfolgende klagende Gesellschaft darlegen und beweisen, dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr gegebenenfalls die Erleichterungen des § 287 ZPO zu Gute kommen; hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.

2. Durch den Abschluss eines Mietvertrags im Zustand der Überschuldung verletzt der GmbH-Geschäftsführer die ihm gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG obliegenden Pflichten.

3. Ein Handeln oder Unterlassen des GmbH-Geschäftsführers im - auch stillschweigenden - Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern stellt grundsätzlich keine Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG dar.

4. Die Ersatzpflicht des GmbH-Geschäftsführers wird auch bei Vorliegen des Einverständnisses der Gesellschafter nicht aufgehoben, wenn Zahlungen dem § 30 GmbHG zuwider oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden und der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist.

5. Bei den Ansprüchen aus § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 GmbHG handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände.

 

Normenkette

GmbHG § 43 Abs. 2, § 64 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 27.07.2017; Aktenzeichen 31 O 21218/14)

 

Tenor

I. Soweit sich die Berufung der Beklagten gegen Ziff. 1 des Urteils des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, richtet, wird sie in Höhe von 2.173,40 EUR verworfen. Soweit sich die Berufung der Beklagten ferner gegen Ziff. 2 des Endurteils des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, richtet, wird sie in Höhe von 2.330,02 EUR verworfen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, in Ziffer 1. dahingehend abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 05.02.2015, Az. 31 O 21218/14, berichtigt durch Beschluss vom 18.02.2015, insoweit aufrechterhalten bleibt, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 19.969,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2014 zu bezahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

III. Der Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Betrages von 2.972,30 EUR an die Insolvenzmasse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen befriedigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

IV. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 18% und die Beklagte 82%. Die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz trägt die Beklagte.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 45.711,65 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der Firma kfm K. f. m. GmbH gegen die Beklagte als deren frühere Geschäftsführerin Schadensersatz geltend wegen der Veranlassung von Zahlungen von den Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin.

Die Beklagte war vom 07.07.2009 bis zum 17.05.2012 Geschäftsführerin der Firma kfm k. f. m. GmbH. Der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit war die Durchführung von Bauarbeiten an Gebäuden. Gesellschafter waren jedenfalls ab 07.07.2009 die Beklagte und ihr Ehemann je zur Hälfte. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.05.2015, Az. 1506 IN 4348/13, wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma kfm k. f. m. GmbH bestellt.

In dem Zeitraum vom 03.09.2010 bis 05.04.2012 kam es auf Veranlassung der Beklagten zu den in dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils auf S. 2/3 sowie S. 4/6 im Einzelnen aufgeführten Überweisungen von Konten der Insolvenzschuldnerin, die überwiegend Mietzahlungen betreffen.

Der Kläger begehrte mit Schriftsatz vom 09.11.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte in Höhe von 24.802,54 EUR im Hinblick auf die auf S. 2/3 des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils einzeln aufgeführten Überweisungen von Konten der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum vom 03.09.2010 ...

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