Leitsatz (amtlich)

Nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO kann der Ersatz solcher freiwilliger Aufwendungen verlangt werden, die nach Verletzung der Insolvenzantragspflicht in dem Vertrauen auf die Solvenz des Schuldners und der vernünftigen Erwartung gemacht werden, einen vor Insolvenzreife gegen den Schuldner begründeten Anspruch durchzusetzen.

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.07.2021; Aktenzeichen II ZR 164/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 4. Oktober 2019, Az. 6 O 28/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung fallen dem Beklagten zur Last.

3. Dieses Urteil und das zu 1. genannte Urteil sowie das dort aufrechterhaltene Versäumnisurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2019, Az. 6 O 28/19, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund der genannten Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht und Feststellung.

Der Kläger beauftragte am 14. Januar 2015 die S GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, mit Fassadenarbeiten gegen eine Vergütung in Höhe von 18.000 EUR. Nach Abschlagszahlungen von 13.000 EUR und Fristsetzungen zur Erbringung der Werkleistungen kündigte der Kläger den Vertrag mit Schreiben vom 22. August 2016 und forderte (ergebnislos) unter Fristsetzung zum 29. August 2016 eine Beseitigung mehrerer angegebener Mängel sowie eine Rückzahlung von 11.000 EUR entsprechend dem seiner Ansicht nach erreichten Leistungsstand. Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 30. August 2016 ein selbständiges Beweisverfahren gegen die S GmbH mit Beweisfragen zum Leistungsstand und dem darauf entfallenden Werklohn, zu behaupteten Mängeln der bislang erbrachten Werkleistungen und angeblich verursachten Gebäudeschäden. Darauf ordnete das Landgericht [...] mit Beweisbeschluss vom 16. November 2016 ([...]) die sachverständige Begutachtung an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anlagenband "Kopien [...]", insbesondere den Inhalt des genannten Antragsschriftsatzes samt Anlagen (dort AS 205 ff) verwiesen.

Gegen den Beklagten erging ein Strafbefehl des Amtsgerichts [...] vom [...] Dezember 2016 ([...], Anlagenband "Kopien", AS 85 ff) wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte auf die Rechtsfolgen beschränkt. Nach Eigenantrag vom [...] Dezember 2016 wurde über das Vermögen der S GmbH mit Beschluss des Amtsgerichts [...] vom [...] März 2017 ([...]) das Insolvenzverfahren eröffnet; ein Insolvenzverwalter wurde bestellt.

Im selbständigen Beweisverfahren erstattete der Sachverständige am 11. Mai 2017 ein schriftliches Gutachten (Anlagenband "Kopien", AS 137 ff), in dem er zur Annahme einer Leistungserbringung von ca. 5 % (900 EUR einschließlich Umsatzsteuer) und von Mängeln gelangte, deren Beseitigungskosten er auf 6.400 EUR schätzte.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 (Anlage K 9) äußerte sich erstmals der Insolvenzverwalter der S GmbH im selbständigen Beweisverfahren und gab bekannt, dass die Insolvenzmasse nicht in der Lage sei, Kosten für die Vergütung eines Sachverständigen zu tragen; insofern könne nicht zugestimmt werden.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger insbesondere die Erstattung von Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens, die er mit 317 EUR angibt, Kosten der dort gerichtlich angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen, deren Höhe er mit 2.606,02 EUR beziffert, und mit 2.935,49 EUR angegebene Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat mit Versäumnisurteil gegen den Beklagten vom 9. Juli 2019 (AS I 141 ff), gegen das der Beklagte daraufhin Einspruch eingelegt hat, antragsgemäß

1. den Beklagten verurteilt, an den Kläger 5.857,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Februar 2019 zu zahlen;

2. festgestellt, dass dem zu 1 genannten Zahlungsanspruch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Beklagten zugrunde liegt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die S GmbH sei spätestens zum 1. Dezember 2015 zahlungsunfähig gewesen, so dass der Beklagte als Geschäftsführer noch im Jahr 2015 einen Insolvenzantrag hätte stellen müssen. Im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis Juli 2015 sei gegen die S GmbH von fünf Gläubigern die Zwangsvollstreckung aus titulierten Forderungen in Höhe von insgesamt 79.053,78 EUR betrieben worden. Im Juni 2015 sei eine offene Forderung der Firma B aus dem Jahr 2014 gegen die S GmbH in Höhe von 40.000 EUR rechtskräftig tituliert worden, wobei die zur Abgeltung im Vergleich vorgesehene Zahlung von 17.500 EUR mangels Zahlungsfähigkeit nicht erbracht worden sei. Hätte der Kläger von der Zahlungsunfähigkeit gewusst, hätte er das selbständige Beweisverfahren nicht angestrengt. Im Rahmen d...

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