Leitsatz (amtlich)

1. Aufklärungspflichten des Franchisegebers vor Abschluss des Franchisevertrages.

2. Anspruch des Franchisenehmers auf Rückgängigmachung des Vertrages als Rechtsfolge der Verletzung der Aufklärungspflicht.

3. Kein Mitverschulden des Franchisenehmers aufgrund fahrlässiger Nichtkenntnis der fehlenden Rentabilität des Franchisesystems.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 28.01.2010; Aktenzeichen 9 O 385/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.1.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 194.585,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen des Inhalts der Franchiseverträge vom 13.11.2000 und 16.12.2001, des zwischen den Parteien gewechselten Schriftverkehrs und der übrigen tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil verwiesen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt. Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt u.a. die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, die fristlose Kündigung der Franchiseverträge vom 21.10.2004, insbesondere des Vertrages vom 13.11.2000 für den Standort S, sei unwirksam, weil die Kündigungserklärung außerhalb der vertraglich vorgesehenen Frist erfolgt sei. Sie beruft sich wegen der für Juli 2004 einbehaltenen Kursgebühren außerdem auf ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund vertragsuntreuen Verhaltens der Beklagten. Die Franchiseverträge für die Standorte H und X seien entgegen der angefochtenen Entscheidung nicht gem. § 138 BGB unwirksam. Die in dem landgerichtlichen Urteil zitierte Entscheidung des OLG Hamm betreffe eine andere, nicht vergleichbare vertragliche Gestaltung.

Es liege auch keine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch die Klägerin vor. Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 162.385,71 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Franchiseverträge vom 13.11.2000 betreffend den Standort S und vom 16.12.2001 betreffend die Standorte H und X nicht beendet sind und über den 31.8.2008 hinaus Bestand haben bis zum 12.11.2010 (Standort S) bzw. bis zum 15.12.2011 (Standorte H und X);

3. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres Vorbringens. Sie behauptet, die Klägerin habe bei den Vertragsverhandlungen gegen ihre Aufklärungspflichten verstoßen und namentlich unzutreffend über die Rentabilität des Franchise-Systems informiert. Daher seien die geschlossenen Verträge ihrer Ansicht nach aufzuheben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Erklärungen der Parteien zu Protokoll sowie gemäß dem Berichterstattervermerk vom 7.9.2010 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Franchisegebühren ab Juli 2004 i.H.v. 162.385,71 EUR aus § 4 Abs. 2 der Franchiseverträge vom 13.11.2000 und 16.12.2001. Die Verträge sind wegen eines schuldhaften Verhaltens der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen im Wege des Schadenersatzes mit der Folge rückgängig zu machen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Zahlung der Franchisegebühren für den Zeitraum von Juli 2004 bis August 2009 nicht auf die Verträge stützen kann. Einer Entscheidung darüber, ob die Verträge vom 16.12.2001 betreffend die Standorte X und H wegen einer sittenwidrigen Konzeption gem. § 138 BGB unwirksam sind bzw. ob der Vertrag vom 13.11.2000 betreffend den Standort S durch die Kündigung der Beklagten vom 21.10.2004 erloschen ist, bedarf es daher nicht. Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Schadenersatz wegen eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) im Vorfeld der streitgegenständlichen Verträge zu. Da die Franchiseverträge in den Jahren 2000 und 2001 geschlossen worden sind und der Schadenersatzanspruch der Beklagten im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge entstanden ist, richten sich die Ansprüche der Beklagten gem. Art. 229 § 5 EG BGB nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. A., Art. 229 § 5 EGBGB Rz. 7). Als Folge des Schadenersatzanspruchs aus c. i. c. ist die Beklagte gem. § 249 BGB so zu stellen, als habe sie die nachteiligen vertraglichen Dispositionen nicht getroffen. Sie kann dah...

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