Entscheidungsstichwort (Thema)

Irreführende Werbung mit einem Textverarbeitungsprogramm

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umstand, dass in einem - über seine Internetseite erreichbaren - Herkunftszertifikat eine veraltete deutsche Adresse des Werbenden angegeben wird, ist in der Regel nicht geeignet, eine Irreführung der Verbraucher hervorzurufen. Es ist fernliegend, dass sich der Verbraucher über einen Blick in die Zertifikate vergewissert, ob der Werbende seinen Sitz in Deutschland hat.

2. Die Werbeaussage "Alle Anwender können alle Funktionen kostenlos verwenden" ist in Bezug auf ein Textverarbeitungsprogramm irreführend, wenn es für die rechtlich zulässige Nutzung erforderlich ist, nach Ablauf von 30 Tagen kostenpflichtig eine Lizenz zu erwerben, selbst wenn die Nutzung rein technisch möglich bleibt.

3. Die Werbeaussage "Textbausteine lassen sich optional im nativen MS Word Format speichern" ist nicht irreführend, wenn das beworbene Programm in der Lage ist, die Speicherung im Zusammenspiel mit dem vorhandenen oder gesondert erworbenen Programm MS Word vorzunehmen.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen 6 O 3/16)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

I. Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu 2. richtet.

II. Auf die Berufung der Klägerin und der Beklagten zu 1) wird das am 27.6.2019 verkündete Urteil des Landgerichts abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage der Beklagten zu 1) wird die Klägerin verurteilt,

a) es - bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR (ersatzweise Ordnungshaft) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer - zu unterlassen,

(aa) im geschäftlichen Verkehr bei dem Vertrieb von Software für die Software "Programm1" wie folgt zu werben: "Alle Anwender können alle Funktionen kostenlos verwenden."

und/oder

(bb) das Nutzungsrecht für Funktionen, welches in der kostenlosen Version nicht enthalten ist, im Rahmen der Freeware der Software "Programm1" mit Ablauf von 30 Tagen nach Beginn der Nutzung enden zu lassen, ohne vor dem Download darauf hinzuweisen, dass die Freeware nach Ablauf von 30 Tagen nicht mehr mit allen Funktionen benutzt werden kann.

b) an die Beklagte zu 1) 372,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 8.3.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage der Beklagten zu 1) abgewiesen.

3. Die Widerklage des Beklagten zu 2) wird abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen; die Klageerweiterung im Berufungsverfahren wird abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.

V. Die Berufung des Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.

VI. Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen:

  • in der ersten Instanz:

von den Gerichtskosten die Klägerin 78 %, die Beklagten zu 1) 19 % und der Beklagten zu 2) 3 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin die Beklagte zu 1) 19 % und der Beklagte zu 2) 3 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) die Klägerin 80 %;

von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) die Klägerin 93 %;

im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

  • im Berufungsverfahren:

von den Gerichtskosten die Klägerin 80 %, die Beklagte zu 1) 18 % und der Beklagte zu 2) 2 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin die Beklagte zu 1) 18 % und der Beklagte zu 2) 2 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) die Klägerin 82 %;

von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) die Klägerin 96 %;

im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VIII. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) - eine Mitbewerberin im Bereich der Textverarbeitungssoftware - sowie den Beklagten zu 2) als ihren Geschäftsführer wegen angeblich unzureichender Impressumsangaben sowie irreführender Aussagen auf ihrer Webseite und über ihre Software auf Unterlassung in Anspruch. Der Beklagte zu 2) verlangt widerklagend aus abgetretenem Recht Erstattung von Abmahnkosten. Die Beklagte zu 1) verlangt widerklagend die Unterlassung bestimmter Werbeaussagen über ein Textverarbeitungsprogramm der Klägerin.

Die Klägerin stellt die Software Programm1 zur Verwaltung von Textbausteinen her und vertreibt diese auf ihrer Webseite.

Die Beklagte zu 1) ist Inhaberin der Domain www.(...).de. Sie wirbt auf ihrer Webseite mit dem Slogan "Seit 1990 Software made in Germany" und bietet dort u.a. kostenpflichtige Kundendienstleistungen zum Programm "... Programm2" an. Der Beklagte zu 2) war zum streitbefangenen Zeitpunkt der CEO der Beklagten zu 1).

Unter dem 22.12.2015 mahnte die Klägerin beide Beklagten wegen angeblich unzureichender Impressumsangaben ab (Bl. 34 ff. d.A.), wobei sie Abmahnkosten in Höhe von 745,40 EUR geltend machte. Mit Schreiben vom 15....

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