Leitsatz (amtlich)

Zahlungen des Vorstandes an ein Aufsichtsratsmitglied für Dienstverpflichtungen außerhalb seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat sind nur dann erlaubt, wenn der Gesamtaufsichtsrat vorher zustimmt. Die nachträgliche Genehmigung des Gesamtaufsichtsrates ändert an der Pflichtwidrigkeit der Zahlungen nichts.

 

Normenkette

AktG § 114

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.02.2010; Aktenzeichen 3/5 O 178/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.07.2012; Aktenzeichen II ZR 48/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2.2.2010 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 8.5.2009 zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 (Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008) werden für nichtig erklärt. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Kläger je zu 1/4 und die Beklagte nebst ihren Streithelfern je zu 1/6, die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens die Parteien und die Streithelferin zu 1.) je zu 1/4 zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, eine gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils für sie vollstreckbaren Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin zu 1.) und der Kläger zu 2.), der ohne eigenes Rechtsmittel nur als notwendiger Streitgenosse der Klägerin zu 2.) beteiligt ist, waren und sind Stammaktionäre der Beklagten und Teilnehmer der Hauptversammlung vom 8.5.2009. Auch die Streithelfer auf Seiten der Beklagten sind Stammaktionäre, wie inzwischen unstreitig geworden ist. Gegenstand der Hauptversammlung waren die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, behandelt unter TOP 3 und 4, sowie die Aufhebung und Neuschaffung neuen genehmigten Kapitals, und zwar Kapital I unter TOP 7 und Kapital II unter TOP 8.

Die Klägerin zu 1.), die gegen alle Beschlussfassungen Widerspruch erhoben hat, war als Angehörige der Gründerfamilie Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, bis sie in der Hauptversammlung vom 21.5.2008 wegen der Stimmabgabe der Stiftung nach ihrer verstorbenen Stiefmutter nicht wieder bestellt wurde. Diese Stiftung hält ca. 58 % der Stammaktien der Beklagten, wobei die Stimmrechtsausübung bei den drei Testamentsvollstreckern nach der verstorbenen Stiefmutter liegt. Einer von diesen ist der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Rechtsanwalt Dr. RA1. Dr. RA 1 ist zugleich Partner einer überörtlichen Anwaltskanzlei, die - nach erstinstanzlicher Vortragslage - pro Jahr etwa für eine Mio. EUR Mandate durch die Beklagte erhält. Die Beklagte verfuhr dabei so, dass die jeweiligen Einzelmandate erst nach Bezahlung der Honorare dem Gesamtaufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt wurden. Die vom 1.1.2008 bis 30.9.2008 erbrachten Zahlungen auf Mandatsverträge wurden mit Beschluss des Aufsichtsrats vom 4.12.2008 genehmigt. Weitere Genehmigungen erfolgten bis zu den angefochtenen Entlastungsentscheidungen vom 8.5.2009 nicht. Der im Geschäftsbericht enthaltene Corporate Governance Bericht für das Jahr 2008, auf den verweisen wird (Anl. K 2, Bl. 107 d.A.), schilderte, dass der Aufsichtsrat der Mandatierung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden zugestimmt habe. Die Entsprechenserklärung vom 21.5.2008 enthält insoweit keine Besonderheiten.

In der Hauptversammlung vom 8.5.2009 stellten der Kläger zu 2.) und ein Aktionär Dr. A eine Reihe von Fragen, die im Urteil des LG wiedergegeben sind, und zwar dort beziffert mit 1.) bis 12.). Zu den Einzelheiten der Fragen wird auf diese Wiedergabe Bezug genommen (LGU S. 4 bis 6, Bl. 416 bis 418 d.A.). Die Fragen 1.) bis 5.) und 9.) bis 12.) bezogen sich auf die Entlastungsentscheidungen, die Fragen 6.) bis 8.) auf die genehmigten Kapitalien. Die Beklagte hatte in 2005 und 2008 Kapitalerhöhungen durchgeführt. Auf Grund einer Freigabeentscheidung des erkennenden Senats sind die genehmigten Kapitalien inzwischen eingetragen.

Die Klägerin zu 1.) hat die Entlastung angefochten, weil der im Geschäftsbericht für 2008 enthaltene Corporate-Governance-Bericht hinsichtlich der Zustimmungen zu den Dienstverträgen des Dr. RA1 unrichtig sei. Ein Vorstand, der rechtsgrundlos hohe Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied leiste, verstoße auch gegen seine Pflichten, das Aufsichtsratsmitglied durch deren Entgegennahme.

Auch seien die Fragen zu den Dienstverträgen der Aufsichtsratsmitglieder und früheren Kapitalerhöhungen nicht oder nicht ausreichend beantwortet worden.

Die Kläger haben - sinngemäß - beantragt, die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 8.5.2009 zu TOP 3 (Entlastung des Vorstands), TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats), TOP 6 (gen...

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