Leitsatz (amtlich)

Beruft sich der Versicherer zur Verteidigung gegen einen Provisionszahlungsanspruch des Versicherungsvertreters auf § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB trägt er Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes.

Der Versicherer hat konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt worden, jedoch erfolglos geblieben oder eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist und zwar für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag.

Für die Fälle der Kleinstorni ergibt sich im Streitfall nichts anderes. Weil Versicherungskunden - anders als bei sonstigen Massengeschäften (wie beispielsweise Zeitschriftenabonnements) - häufig nicht nur einen Versicherungsvertrag abgeschlossen haben, rechtfertigt es die besondere Kundenbeziehung nicht nur auf den einzelnen Versicherungsvertrag abzustellen, sondern im Hinblick auf die Pflege der Kundenbeziehung kann es wirtschaftlich durchaus Sinn machen, einen einzelnen Versicherungsvertrag trotz nur geringer Beträge zu retten.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 3 O 34/14)

 

Tenor

Unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Kleve - Az.: 3 O 34/14 - auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.453,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 90 % und der Beklagte zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a ZPO verzichtet.

II. Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß §§ 87a Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 2 HGB in Verbindung mit dem Vermögensberatervertrag ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Provisionsvorschüsse in Höhe von 9.453,21 EUR nebst Zinsen zu.

Der Erfolg der Berufung ergibt daraus, dass die Klägerin über den vom LG zuerkannten Betrag hinaus von dem Beklagten auch Rückzahlung der für die Kunden Lueb und Haarmoden Schweers gezahlten Provisionen in Höhe von insgesamt 1.080,71 EUR verlangen kann, weil insofern eine Nachbearbeitung der gekündigten Verträge entbehrlich war. Im Übrigen bleibt die Berufung dagegen erfolglos, da ein Abzug in den Fällen der Kleinstorni nicht gerechtfertigt ist.

1. Bei dem Beklagten handelte es sich um einen Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB, der aufgrund des Vermögensberatervertrags ständig damit betraut war, Vermögensanlagen, Finanzierungen und Versicherungsverträge für die Klägerin zu vermitteln bzw. abzuschließen (§ 92 Abs. 1 HGB). Gemäß § 92 Abs. 2 HGB sind auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer grundsätzlich sämtliche Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer gemäß §§ 84 ff. HGB anzuwenden, sofern sich nicht aus § 92 Abs. 3 und Abs. 4 HGB etwas Abweichendes ergibt. Insoweit gilt für die unter § 92 HGB fallenden Vertreter ein den Besonderheiten ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit Rechnung tragendes Sonderrecht (vgl. Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage, § 92 Rn. 9).

1.1. § 92 Abs. 4 HGB bestimmt insoweit abweichend von § 87a Abs. 1 HGB, dass der Versicherungsvertreter erst dann Anspruch auf Provision hat, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. An die Stelle der als aufschiebende Bedingung für die Entstehung des Provisionsanspruchs des Warenvertreters nach § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB maßgeblichen Geschäftsausführung durch den Unternehmer tritt beim Versicherungsvertreter die aufschiebende Bedingung der Prämienzahlung durch den Versicherungsnehmer. Leistet der Versicherungsnehmer die vereinbarte Prämie nicht, tritt die für die Entstehung des Provisionsanspruchs maßgebliche aufschiebende Bedingung nicht ein; die Entstehung des Provisionsanspruchs ist somit gehindert (vgl. Thume, in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 4. Auflage, Kap. V Rn. 503; BGH, Versäumnisurteil vom 1.12.2010, Az..: VIII ZR 310/09, zitiert nach juris, Rn. 14; OLG Köln, Beschluss vom 13.11.2014, Az.: 19 U 99/14, zitiert nach juris, Rn. 4). Hiervon unberührt bleibt allerdings die Anwendbarkeit des § 87a Abs. 3 HGB und die daraus abgeleitete Nachbearbeitungspflicht des Unternehmers. Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB besteht auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausgeführt hat, wie es abgeschlossen worden ist. Für § 87a Abs. 2 HGB ist bei den...

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