Rz. 134

Unternehmensnießbrauch[1] dient als Oberbegriff für unterschiedliche Gestaltungen, die eine Verlagerung der Nutzenziehung aus einem Unternehmen zur Folge haben. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob sich der Anspruch des Nießbrauchers lediglich auf die Erträge des Unternehmens bezieht (Ertragsnießbrauch[2]) oder ob ihm zudem noch Entscheidungsbefugnisse im Unternehmen zustehen (Unternehmensnießbrauch i. e. S.[3]). Darüber hinaus sind alle Varianten des Nießbrauchs – im Wesentlichen Zuwendungs-, Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauch – denkbar.

Grundlage für den Unternehmensnießbrauch sind die Bestimmungen der §§ 1030-1084 BGB,[4] die den Nießbrauch an einzelnen Gegenständen regeln. In analoger Anwendung dazu kann der Nießbrauch nicht am gesamten Unternehmen im Wege eines einheitlichen Rechtsakts bestellt werden, vielmehr ist dieses dingliche Nutzungsrecht an jedem einzelnen Gegenstand zu begründen.[5] Das bedeutet, dass zur wirksamen Bestellung des Nießbrauchs bei Grundstücken Einigung und Eintragung im Grundbuch (vgl. § 873 BGB) erforderlich sind, bei beweglichen Sachen Einigung und Übergabe i. S. d. §§ 929, 1032 BGB erfolgen müssen und bei Rechten die für die Abtretung maßgeblichen Vorschriften (vgl. § 1069 BGB) zu beachten sind.[6]

 

Rz. 135

Für eine mögliche Bilanzierung des Nießbrauchrechts gelten die bereits ausführlich dargestellten Grundsätze:

  1. Unentgeltlicher Nießbrauch führt nach herrschender Rechtsprechung[7] nicht zu einer Bilanzierung.
  2. Für Fälle des entgeltlichen Nießbrauchs ist zu unterscheiden:

    • Laufende Entgelte: Keine Bilanzierung, lediglich Betriebsausgabe beim Nießbraucher und Betriebseinnahme beim Nießbrauchbesteller;[8]
    • Einmalzahlungen: Qualifikation als Vorauszahlung des Nutzungsentgelts und damit Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens beim Nießbraucher und Passivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens beim Nießbrauchbesteller;[9]
    • Zahlungen zum Eintritt in ein bestehendes Nießbrauchverhältnis: Anerkennung von Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsguts "Nießbrauch" mit den damit verbundenen bilanziellen und steuerlichen Folgen.[10]

Im Folgenden werden die zivilrechtlichen Grundlagen und steuerlichen Auswirkungen des Nießbrauchs am Einzelunternehmen, am Mitunternehmeranteil sowie am Anteil an einer Kapitalgesellschaft näher erläutert.

[1] Eine Erwähnung findet der Unternehmensnießbrauch in § 22 Abs. 2 HGB als Möglichkeit der Übertragung eines Handelsgeschäfts.
[3] Auch als echter Unternehmensnießbrauch, aktiver Unternehmensnießbrauch oder Nießbrauch bei vollem Betriebsrisiko bezeichnet; vgl. m. w. N. zur Literatur Biergans, DStR 1985, S. 328.
[4] Gesetzesgrundlage sind hingegen nicht die §§ 1085 ff. BGB, die den Nießbrauch an einem Vermögen regeln; für die Anwendung dieser Vorschriften muss der Nießbrauch am gesamten Vermögen der Person bestellt werden; vgl. Bayer, in Erman, BGB, Band 2, 15. Aufl. 2017, § 1085 BGB Rz. 1.
[5] Vgl. Biergans, DStR 1985, S. 328.
[6] Vgl. Stinn, NWB 2011, S. 2622.

5.1 Nießbrauch am Einzelunternehmen

5.1.1 Zivilrechtliche Grundlagen

 

Rz. 136

Beim Unternehmensnießbrauch i. e. S. führt der Nießbraucher das Unternehmen im eigenen Namen, jedoch ist er in seinen Entscheidungen nicht vollkommen frei. Durch die Normen des BGB sind dem unternehmerischen Entscheidungsspielraum Grenzen gesetzt:[1]

  • Die bisherige wirtschaftliche Bestimmung des Unternehmens ist aufrechtzuerhalten (§ 1036 BGB);
  • der Betrieb darf nicht umgestaltet oder wesentlich verändert werden (§ 1037 Abs. 1 BGB);
  • öffentliche und private Verpflichtungen (wie z. B. laufende Steuerzahlungen oder Fremdkapitalzinsen) sind vom Nießbraucher zu tragen (§§ 1041, 1047, 1088 BGB);
  • die Unternehmenssubstanz ist zu erhalten (§§ 1041, 1048 BGB).
 

Rz. 137

Aus § 1048 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass das Eigentum an den Vermögensgegenständen des Anlagevermögens grundsätzlich beim Nießbrauchbesteller verbleibt; der Nießbraucher kann jedoch "über die einzelnen Stücke des Inventars innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verfügen". Diese Regelung bedingt allerdings auch den Erhalt der Unternehmenssubstanz: Der Nießbraucher ist verpflichtet, durch den Verschleiß des Anlagevermögens notwendig gewordene Ersatzbeschaffungen gem. § 1041 BGB vorzunehmen, die dann mittels des Rechtsinstituts der "Einverleibung" in das Eigentum des Nießbrauchbestellers übergehen; diese Verpflichtung schlägt sich in der Bilanz des Nutzungsberechtigten...

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