Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträglicher Verzicht auf Ausbildungsvergütung ist kindergeldrechtlich unbeachtlich

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die nachträglich getroffene Vereinbarung über die Herabsetzung der monatlichen Vergütung für den Ausbildungszeitraum ist unbeachtlich.
  2. Insoweit handelt es sich um einen unwirksamen Verzicht i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 8

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheides über Kindergeld.

Der Klägerin wurde für ihre am 14. Dezember 1974 geborene Tochter X für das streitige Kalenderjahr 1998 Kindergeld in Höhe von monatlich 220 DM gewährt. Nach vorliegenden Ausbildungsbescheinigungen, die durch die Firma Y GmbH ausgestellt worden sind, befand sich X in der Zeit vom 1. September 1997 bis 31. August 1999 in einer Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel.

Das beklagte Arbeitsamt ….. – Familienkasse – ging im Rahmen der Bewilligung des Kindergeldes zunächst davon aus, dass die von X im Streitjahr im Rahmen ihrer Ausbildung erzielten Einkünfte 11.640 DM betrugen (8 x 1.085 DM sowie 4 x 1.240 DM abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe von 2.000 DM). Nachdem dem Beklagten wegen widersprüchlicher Angaben Zweifel an der in den Ausbildungsbescheinigungen angegebenen Höhe der X zustehenden Ausbildungsvergütung gekommen waren, erfuhr er im Rahmen einer Anfrage bei der Industrie- und Handelskammer ….., dass der Mantel- sowie der Lohn- und Gehaltstarif für den Niedersächsischen Einzelhandel vom Sozialministerium des Landes Niedersachsen für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Nach den tariflichen Regelungen belief sich die Ausbildungsvergütung ab 1. August 1998 im zweiten Jahr der Ausbildung auf monatlich 1.095 DM und im dritten Jahr der Ausbildung auf 1.255 DM. Daneben war für 1998 ein Urlaubsgeld für über 18 Jahre alte Auszubildende in Höhe von 1.093,33 DM sowie eine Sonderzuwendung „Weihnachtsgeld” in Höhe von 60 v.H. der Vergütung zu zahlen (vgl. Bl. 156 der Kindergeldakte). Das beklagte Arbeitsamt – Familienkasse – ging deshalb davon aus, dass die Einkünfte/Bezüge von X über den im Streitjahr maßgeblichen Grenzbetrag von 12.360 DM lagen und hob dieserhalb mit Bescheid vom 26. Januar 1999 die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin für X ab Januar 1998 nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) auf. Zugleich forderte es von der Klägerin das ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 2.640 DM gemäß § 37 Abs. 2 AO zurück.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren mit Schreiben vom 2. März 1999 form- und fristgerecht erhobenen Klage. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für X und der insoweit ergangene Rückforderungsbescheid seien rechtswidrig, da die von ihrer Tochter im Streitjahr erzielten Einkünfte nicht den Grenzbetrag von 12.360 DM überschritten hätten. Vielmehr hätten sich die Einkünfte lediglich auf 11.752 DM belaufen. Insbesondere habe ihre Tochter nicht auf ihr zustehende Ausbildungsvergütung verzichtet. Soweit die Ausbildungszeit auf zwei Jahre verkürzt worden sei, sei auch im ersten Lehrjahr lediglich die hierfür anfallende Vergütung zu zahlen. Entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Arbeitsamtes gelte zwar bei einer verkürzten Ausbildungszeit das dritte Lehrjahr als schon abgeleistet, die monatliche Vergütung beginne jedoch ab dem 1. Lehrjahr.

Im Übrigen seien nach dem Lohntarifvertrag Ausnahmen in der Tarifstruktur möglich, wenn sich eine höhere Ausbildungsvergütung dergestalt negativ auswirke, dass zwar das Nettogehalt höher sei, die Zahlung von Kindergeld jedoch entfiele. Wegen der Berechnung der von X im Kalenderjahr 1998 erzielten Einkünfte wird auf Bl. 2 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin hat schließlich unter dem 30. Dezember 1999 darauf hingewiesen, dass an X für den gesamten Ausbildungszeitraum monatlich 1.085 DM vergütet worden seien. Ein Weihnachtsgeld sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt worden. Es könne im Streitfall insbesondere nicht unberücksichtigt bleiben, dass von den tatsächlich geleisteten Vergütungen ausgegangen werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 26. Januar 1999 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für X für den Zeitraum Januar bis Dezember 1998 und den Bescheid über die Rückforderung zuviel gezahlten Kindergeldes über 2.640 DM sowie den hierzu ergangenen Einspruchsbescheid vom 10. Februar 1999 aufzuheben.

Das beklagte Arbeitsamt ….. – Familienkasse - beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält den angefochtenen Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nebst den hiermit verbundenen Rückforderungsbescheid für rechtmäßig. Denn die von X im streitigen Kalenderjahr 1998 bezogenen Einkünfte überstiegen die maßgebliche Grenze von 12.360 DM. Bei der Berechnung des Bruttoarbeitslohnes von X sei insbesondere zu berücksichtigen, dass im Falle der Verkürzung der Ausbildungszeit hinsichtlich der Höhe der Vergütung die fehlende Ausbildungszeit als bereits abgeleistet gelte mit de...

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