Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Wohnsitz bei längerem Aufenthalt/Schulbesuch im Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff des Wohnsitzes i. S. des § 8 AO.
  2. Ein Umstand, der auf die Beibehaltung/Benutzung einer Wohnung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer.
  3. Bei von vornherein auf mehr als 1 Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zur Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht für die Annahme aus, der Inlandswohnsitz werde aufrechterhalten.
  4. Halten sich Kinder mit ihren Eltern längerfristig im außereuropäischen Ausland auf und finden Aufenthalte in Deutschland nur in den Schulferien statt, so haben diese Aufenthalte nur Besuchscharakter. Auch von einem gewöhnlichen Aufenthalt kann dann nicht ausgegangen werden.
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1; AO §§ 8-9

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.05.2013; Aktenzeichen III B 121/12)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Kinder des Klägers A (geboren 1997) und B (geboren 1994) ab Januar 2011 zu Recht aufgehoben hat.

Der Kläger war seit 1992 für die Firma X nichtselbstständig tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit fanden diverse Auslandseinsätze statt, die meist auf mehrere Jahre begrenzt waren. Mit Schreiben vom ….2007 hat der Kläger der Beklagten mitgeteilt, dass er seit dem 1. Juni 2005 nach S (außereuropäisches Ausland) entsandt worden ist. Der derzeitige Vertrag ende am 31. Mai 2008, seine Ehefrau und seine beiden Söhne lebten mit ihm seit August 2006 in S.

Seit dem …. 2010 ruht das Arbeitsverhältnis mit der Firma X. Ab ….. 2010 ist der Kläger aufgrund eines gesondert geschlossenen Anstellungsvertrages bei der Firma XS in S tätig. Dieser Vertrag ist auf fünf Jahre, für die Zeit vom …..2010 bis ….. 2015, befristet.

Seit August 2006 gehen die beiden Kinder A und B in S zur Schule.

Im Jahr 2011 hielt sich der Kläger nach seinen Angaben fünf Mal für ein bis zwei Tage in Deutschland auf, die beiden Kinder sind in 2011 nicht in Deutschland gewesen. In der Zeit vom … Dezember 2009 bis …Januar 2010 hat sich die gesamte Familie im Inland aufgehalten. In 2010 ist der Kläger insgesamt fünf Mal in Deutschland gewesen, der Sohn A war nach Angaben des Klägers in den letzten 1 ½ Jahren zwei Mal in Deutschland. Ein Aufenthalt dauerte vom …. August 2010 bis zum ….. September 2010, die Dauer und der Zeitpunkt des zweiten Aufenthaltes sind vom Kläger nicht mitgeteilt worden.

Mit Bescheid vom 15. September 2011 hat die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung ab Januar 2011 für die beiden Kinder A und B aufgehoben. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Kinder könnten nicht bzw. nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten noch in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EinkommensteuergesetzEStG ).

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, er unterhalte sehr wohl einen Wohnsitz in Deutschland. Dieser befände sich im Haus Strasse Y in H. Er, seine Ehefrau und seine Kinder seien unter dieser Anschrift mit alleiniger Wohnung gemeldet. Der Kläger legte entsprechende Meldebescheinigungen der Stadt H vor.

Der Einspruch blieb erfolglos. Da die Kinder im Haushalt des Kindergeldberechtigten im Ausland lebten und dort zur Schule gingen, könne ein Wohnsitz der Kinder im Inland nicht festgestellt werden. Auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum sei nicht feststellbar. Da die Kindergeldberechtigung in den Fällen des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG u. a. vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland abhänge, sei der Einspruch zurückzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung verweist der Kläger erneut auf seinen durchgängigen Wohnsitz im Inland. Dort sei er mit seiner Familie gemeldet. Er habe für seine Kinder über Jahre hinweg während aller Auslandsaufenthalte das gesetzlich vorgesehene Kindergeld erhalten. Bei der jetzigen Wohnung der Familie in H handele es sich um eine Eigentumswohnung. Natürlich müsse er auch im Ausland einen Wohnsitz nehmen. Da die Kinder minderjährig seien, sei es nachvollziehbar, dass er die Kinder mit sich nehme. Tatsache sei jedoch, dass die Familie ihren Lebensmittelpunkt ganz eindeutig in Deutschland habe. Regelmäßig kehrten der Kläger, seine Ehefrau oder die Kinder nach H zurück und bewohnten die dort unterhaltene Wohnung. Andernfalls wäre es völlig widersinnig, diesen Wohnsitz überhaupt noch in Deutschland zu unterhalten. Stattdessen könnte die jetzige Wohnung verkauft oder vermietet werden. Seit Mitte 2010 sei der Arbeitgeber des Klägers nicht mehr bereit, Heimreisen des Klägers zu bezahlen. Die bis dahin regelmäßigen Familienheimfahrten seien daher en...

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