vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 106/06)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung einer bestandskräftigen Kindergeldfestsetzung bei unzutreffender Prognose und rückwirkende Festsetzung von Kindergeld wegen Unterschreitens des Grenzbetrages

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Kindergeldfestsetzung ist nach § 70 Abs. 4 EStG aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag über - oder unterschreiten.
  2. Die Änderungsbefugnis nach § 70 Abs. 4 EStG besteht auch dann, wenn sich die rechtliche Beurteilung nach Ablauf des Kalenderjahres und in Kenntnis des vollständig verwirklichten Sachverhalts gegenüber der vorläufigen Beurteilung in der Prognoseentscheidung ändert.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 73 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2004

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen III R 106/06)

BFH (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen III R 106/06)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die aufgrund einer Prognoseentscheidung erfolgte, bestandskräftige Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung der rückwirkenden Festsetzung von Kindergeld nach Ablauf des Prognosezeitraums entgegensteht.

Die Klägerin erhielt für ihr 1985 geborenes Kind T Kindergeld. T absolvierte von Oktober 2002 bis September 2005 eine Ausbildung zur Krankenschwester.

Mit Bescheid vom 6. April 2004 hob die Beklagte diese Festsetzung ab Januar 2004 auf, da sie aufgrund einer Prognoserechnung davon ausging, dass die Einkünfte und Bezüge der Tochter im Jahr 2004 den maßgeblichen Grenzbetrag übersteigen würden. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2004 zurückgewiesen wurde. Diese Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld ab dem 1. Januar 2004. Zur Begründung führte sie an, dass mit der Einbeziehung der Sozialversicherungsbeiträge, wie sie das Bundesverfassungsgericht nunmehr für geboten halte, die Einkünfte der Tochter im Jahr 2004 unter dem maßgeblichen Grenzbetrag lägen. Die Beklagte ermittelte daraufhin zu berücksichtigende Einkünfte und Bezüge der Tochter T für das Jahr 2004 i.H.v. 5.618 EUR. Mit anschließendem Bescheid vom 30. August 2005 setzte die Beklagte jedoch nur Kindergeld für den Zeitraum von Mai 2004 bis Dezember 2004 neu fest. In demselben Bescheid lehnte sie eine Festsetzung für den Zeitraum Januar bis April 2004 mit der Begründung ab, dass der bestandskräftige Bescheid vom 6. April 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2004 einer Neufestsetzung für diesen Zeitraum entgegenstehe. Die Klägerin legte gegen die teilweise Ablehnung der Neufestsetzung Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 30. August 2005 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Mit der nunmehr erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, Kindergeld für ihre Tochter T auch für den Zeitraum Januar bis April 2004 zu erhalten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr für ihre Tochter T für den Zeitraum Januar bis April 2004 Kindergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest, dass der bestandskräftige Aufhebungsbescheid vom 6. April 2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2004 einer rückwirkenden Festsetzung von Kindergeld entgegenstehe.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, zugunsten der Klägerin Kindergeld für deren Tochter T für den Zeitraum Januar bis April 2004 festzusetzen.

1. Die Klägerin hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a Einkommensteuergesetz (EStG) für das gesamte Jahr 2004 einen Anspruch auf die Gewährung von Kindergeld, da die Einkünfte und Bezüge der Tochter i.H.v. 5.618 EUR unter dem maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR lagen. Hiervon gehen auch beide Beteiligten zu Recht und unstreitig aus.

2. Der Festsetzung von Kindergeld für den streitigen Zeitraum steht der bestandskräftige Aufhebungsbescheid vom 6. April 2004 nicht entgegen, da dieser nach § 70 Abs. 4 EStG geändert bzw. aufgehoben werden kann.

Nach § 70 Abs. 4 EStG ist eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG über– oder unterschreiten.

Die Vorschrift soll Probleme beseitigen, die dadurch entstehen, dass wegen der monatlichen Zahlweise des Kindergeldes bereits vor oder während des Kalenderjahres Kindergeldfestsetzungen im Wege von Prognoseentscheidungen erfolgen müssen, obwohl in diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststeht, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag überschreiten werden. Erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres ist klar, welche...

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