vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 10/13)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Empfängerbenennung nach § 160 AO – Benennungsverlangen als neue Tatsache i. S. des § 173 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 160 AO ist auch anwendbar, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat. In diesem Fall hat sie nach Schätzung der BA zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug der Ausgaben entgegensteht.
  2. Der Finanzbehörde kommt dabei ein Ermessen zu, bei dem sie zunächst über die Zumutbarkeit des Benennungsverlangens an sich und danach über die Hinzurechnung bzw. die steuerliche Nichtberücksichtigung dem Grund und der Höhe nach entscheidet.
  3. Ein Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn feststeht, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung in der Buchung unzutreffend oder unvollständig sind.
  4. Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit des Benennungsverlangens ist die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den jeweiligen Geschäftsvorfall zu beurteilen.
  5. Ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Stpfl. gerichtetes Benennungsverlangen rechtfertigt bei Nichterfüllung nicht dessen Änderung nach § 173 AO.
 

Normenkette

AO §§ 160, 162

 

Streitjahr(e)

2006, 2007, 2008, 2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.03.2016; Aktenzeichen X R 10/13)

BFH (Urteil vom 09.03.2016; Aktenzeichen X R 10/13)

 

Tatbestand

Streitig sind der Abzug von Betriebsausgaben und die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erfüllt sind.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall Einkünfte aus Gewerbebetrieb, seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau erzielte keine Einkünfte. Der Beklagte (das Finanzamt [FA]) ermittelte an Amtsstelle auf der Grundlage der vom Kläger in seinen Umsatzsteuerheften aufgezeichneten Einnahmen und Ausgaben die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Als Betriebseinnahmen setzte es die vorangemeldeten Bruttoumsätze an, die Betriebsausgaben errechnete es aus den in den Umsatzsteuerheften des Klägers als Ausgaben aufgezeichneten Beträgen. Nach dem Inhalt dieser Angaben entfielen etwa 80 Prozent der Wareneinkaufskosten auf Ankäufe mit einem Volumen von jeweils mehr als 10.000 €. Unter Ansatz dieser Einkünfte setzte das FA die Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2008 sowie den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2006 und 2007 endgültig und für das Jahr 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) fest. Für das Jahr 2008 erließ es keinen Gewerbesteuermessbescheid.

Anlässlich einer Anfang des Jahres 2011 beim Kläger durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer u. a. fest, dass der Kläger für die in den Umsatzsteuerheften aufgezeichneten Ausgaben für den Wareneinkauf von Privatpersonen und Firmen keine Belege vorlegen konnte. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Prüfers machte der Kläger keine Angaben zu den Zahlungsempfängern und begründete seine Weigerung damit, dass er überwiegend von Firmen Schrott beziehe und nach Mitteilung der Namen von diesen kein Altmetall mehr erwerben könne. Der Prüfer sah in dieser Begründung keine Rechtfertigung für die Weigerung des Klägers. Er schätzte die Kosten des Wareneinkaufs von Privatleuten mit 25 Prozent der gesamten, nicht belegten Wareneingangskosten, ging bei dem verbleibenden Teilbetrag davon aus, dass der Ankauf bei Firmen erfolgt sei und ließ diese Kosten nach § 160 AO nicht zum Betriebsausgabenabzug zu, weil der Kläger die Empfänger nicht benannte. Der Prüfer kürzte die mit diesem Vorgang in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben um 405.072 € (2006), 510.436 € (2007), 580.028 € (2008) und 526.192 € (2009) und erhöhte entsprechend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide, für die Jahre 2006 bis 2008 erfolgte die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und für das Jahr 2009 nach § 164 Abs. 2 AO. Im April 2011 ergingen geänderte Gewerbesteuermessbescheide, die Änderungen erfolgten für die Jahre 2006 und 2007 nach § 35 b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) und für das Jahr 2009 nach § 164 Abs. 2 AO. Für das Jahr 2008 erging erstmalig ein Gewerbesteuermessbescheid.

Gegen sämtliche Bescheide legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein, die er damit begründete, dass wegen der besonderen Art der Gewinnermittlung keine neuen Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlägen. Dem FA seien sämtliche Tatsachen und Beweismittel bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Steuerfestsetzungen bekannt gewesen, weil der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach den Aufzeichnungen im Umsatzsteuerheft an Amtsstelle...

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