rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO stellt die Anpassung des Folgebescheids nicht in das behördliche Ermessen - die materielle Richtigkeit des Folgebescheids hat Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits ergangenen Folgebescheids

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bindungswirkung besteht auch, wenn ein zunächst nicht ausgewerteter Grundlagenbescheid später geändert wird und das Finanzamt aus dem Änderungsbescheid die gebotenen Konsequenzen ziehen will.
  2. Ist der Finanzbehörde bei der Auswertung eines Grundlagenbescheides ein Anpassungsfehler unterlaufen, so ist kein „Verbrauch” der Änderungsmöglichkeit gegeben.
  3. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO beinhaltet eine umfassende Anpassungspflicht, die nur durch die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides begrenzt wird.
 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1999

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1999) zu ändern, in dem ein festgestellter Beteiligungsverlust doppelt enthalten war.

Der Kläger (A.) ist Rechtsanwalt. Er übte seine Tätigkeit zusammen mit Rechtsanwalt B. in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: „AB-GbR”) in … aus. Daneben war der Kläger an der A., B., C. und D. GbR (im Folgenden: „ABCD-GbR”) beteiligt, die seit 1. Januar 1999 in … eine Anwaltskanzlei betrieb.

In der Feststellungserklärung der ABCD-GbR erklärten die Beteiligten u. a., dem Kläger seien negative Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 51.250 DM sowie Spenden in Höhe von 116 DM zuzurechnen. Am 25. April 2001 erging erklärungsgemäß ein erstmaliger Feststellungsbescheid. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ das beklagte Finanzamt (FA) am 4. Juli 2002 einen geänderten Feststellungsbescheid. In dem Bescheid wies das FA dem Kläger als Beteiligtem Nr. 5 (unter Angabe seiner Privatadresse und seiner persönlichen Einkommensteuer-Nr. ...) Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 0 DM und als Beteiligtem Nr. 3 (unter Angabe der Steuer-Nr.…der AB-GbR) einen Verlust bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 51.250 DM sowie Spenden in Höhe von 116 DM zu. Aufgrund eines Einspruchs änderte das FA am 28. Oktober 2002 den Feststellungsbescheid. Darin führte es den Kläger nur noch einmal als Beteiligten auf und rechnete ihm mit dem Zusatz: „Herrn A. – SonderBV an der AB-GbR, Steuer-Nr. ...” negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 51.250 DM und Spenden in Höhe von 116 DM zu.

Gegenüber den Beteiligten der AB-GbR erließ der Beklagte am 12. April 2001 einen erstmaligen Feststellungsbescheid. Darin rechnete er dem Kläger unter Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 86.452 DM Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 275.575 DM sowie abzugsfähige Spenden in Höhe von 800 DM zu. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erließ das FA am 4. Juli 2002 einen geänderten Feststellungsbescheid, in dem es dem Kläger unter Berücksichtigung unveränderter Sonderbetriebsausgaben Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 278.371 DM und weiterhin Spenden in Höhe von 800 DM zurechnete. Am 4. November 2002 erging – unter Hinweis auf den Feststellungsbescheid für die ABCD-GbR vom 28. Oktober 2002 – ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderter Feststellungsbescheid, in dem es dem Kläger zusätzliche Spenden in Höhe von 116 DM zurechnete.

Der Verlust des Klägers aus der ABCD-GbR in Höhe von 51.250 DM ist, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zutreffend in den Sonderbetriebsausgaben der AB-GbR enthalten. In der Berichts- und Bilanzakte befinden sich eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Ermittlung des Gesamthandsgewinns in Höhe von 756.956 DM und eine Gewinnermittlung für das Sonderbetriebsvermögen des Klägers, der zufolge er einen Sonderbetriebsverlust in Höhe von 35.202 DM erzielte. Darüber hinaus enthält die Berichts- und Bilanzakte unter dem Briefkopf der AB-GbR eine Ermittlung der Sonderbetriebsausgaben der Beteiligten, in der für den Kläger unter Ansatz eines Sonderbetriebsverlustes von 35.202 DM und eines Verlustanteiles aus der Beteiligung an der ABCD-GbR von 51.250 DM ein Sonderbetriebsverlust in Höhe von insgesamt 86.452 DM ermittelt wurde. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf Blatt 46 der Berichts- und Bilanzakte Bezug genommen.

Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Anlage GSE des Klägers zur Einkommensteuererklärung enthielt nur die Eintragung: „AB-GbR, Steuer-Nr. ..., wird nachgereicht”. Das FA erließ am 20. November 2000 einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung. Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Klägers setzte das FA einen Betrag in Höhe von 253.771 DM (hiervon 228.771 DM für die AB-GbR entsprechend dem Vorjahr und 25.000 DM für die ABCD-GbR entsprechend einer ESt 4b-Mitteilung für Vorauszahlungszwecke) an.

Das FA änderte den Bescheid am 15. März 2001. Am 31. Januar 2002 erließ es unter Hinweis auf § 175 Abs. 1 Sa...

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