Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnungsbescheid betr. EStG 2010 -  Zahlungen eines Ehegatten auf die gemeinsame Steuerschuld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen für den Erlass eines Abrechnungsbescheides.
  2. Für einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO kommt es nur darauf an, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden getilgt werden sollte.
  3. Bei Ehegatten kann das FA als Zahlungsempfänger aufgrund der zwischen den Ehepartnern bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten begleichen wird. Das gilt jedenfalls, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben.
  4. Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist für die Beurteilung irrelevant.
 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 1, § 218 Abs. 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Streitig ist, auf die Einkommensteuerschuld welches Ehegatten Einkommensteuervorauszahlungen anzurechnen sind.

Die Klägerin war mit Herrn G verheiratet. Im Oktober 2009 reichten die Eheleute bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 ein. Die Eheleute beantragten die Zusammenveranlagung. Anhaltspunkte für ein dauerndes Getrenntleben der Ehegatten ergaben sich aus der Erklärung nicht. Durch Bescheid vom 30. Dezember 2009 setzte das FA die Einkommensteuer 2008 fest. Durch Bescheid vom selben Tag setzte es ab 10. März 2010 vierteljährliche Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer in Höhe von 800 EUR fest. Entsprechend der in der Einkommensteuererklärung 2008 enthaltenen Empfangsvollmacht wurde der Bescheid dem Steuerberater U als Empfangsbevollmächtigten für Herrn und Frau G bekannt gegeben. Die festgesetzten Vorauszahlungen wurden aufgrund der dem FA erteilten Einzugsermächtigung dem Konto der Klägerin belastet.

Am 22. Dezember 2010 ging bei dem FA die Einkommensteuererklärung 2009 der Klägerin ein, in der diese die getrennte Veranlagung beantragte und zugleich darum bat, die für das Jahr 2009 geleisteten Vorauszahlungen in voller Höhe bei ihr anzurechnen, weil sie aus ihrem Vermögen geleistet worden seien. Durch Nachforschungen bei der Gemeindebehörde erhielt das FA am 27. Dezember 2010 davon Kenntnis, dass die Ehe der Klägerin im November 2009 geschieden worden war und die Eheleute bereits seit 2008 dauernd getrennt gelebt hatten. Im Zeitpunkt der Kenntniserlangung waren die Vorauszahlungen für 2010 in voller Höhe entrichtet.

Am 27. April 2012 reichte die Klägerin die Einkommensteuererklärung 2010 bei dem FA ein. Durch Bescheid vom 31. Juli 2012 setzte das FA die Einkommensteuer gegenüber der Klägerin fest und rechnete die für das Jahr 2010 geleisteten Vorauszahlungen zur Hälfte, d.h. in Höhe von 1.600 EUR, auf die Steuerschuld an.

Am 4. Juli 2013 ging bei dem FA ein Schreiben der Steuerberaterin R ein, mit dem diese für die Klägerin Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 einlegte und darum bat, die geleisteten Vorauszahlungen in voller Höhe auf deren Einkommensteuerschuld anzurechnen, weil sie allein aus ihrem Vermögen geleistet worden seien.

Das FA bezog den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid auf die dazu ergangene Anrechnungsverfügung und erteilte am 12. Juli 2013 einen Abrechnungsbescheid, mit dem es feststellte, dass die für das Jahr 2010 geleisteten Vorauszahlungen nur zur Hälfte auf die Einkommensteuerschuld der Klägerin anzurechnen seien. Den hiergegen eingelegten Einspruch der Klägerin vom 15. August 2013 wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 30. September 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Werde eine Zahlung ohne rechtlichen Grund geleistet oder falle dieser später fort, habe nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung derjenige einen Anspruch auf Erstattung, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Dabei komme es nicht darauf an, mit wessen Mitteln die Zahlung bewirkt worden sei, sondern allein darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem FA erkennbar hervorgetreten sei, habe getilgt werden sollen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei im Allgemeinen anzunehmen, dass Zahlungen eines Ehegatten nicht nur die eigene, sondern auch die Einkommensteuerschuld des mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten tilgen sollten, wenn dieser Annahme keine gegenteiligen Absichtsbekundungen des Zahlenden entgegenstünden. Dabei seien nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zahlungszeitpunkt bekannt seien. Da ihm – dem FA – bis zum Eingang der letzten Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2010 keine Anhaltspunkte für eine Scheidung oder ein dauerndes Getrenntleben der Klägerin vorgelegen hätten, seien die Vorauszahlungen auf Rechnung beider Ehegatten geleistet worden und daher hälftig aufzuteilen.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kl...

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