Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Frage, ob das FA gegen den USt-Erstattungsanspruch der Insolvenzschuldnerin mit deren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten USt-Verbindlichkeiten aufrechnen kann.
  2. Eine Aufrechnung ist unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.
  3. Die Rechte, die der Insolvenzverwalter aus der anfechtbar herbeigeführten Aufrechnung geltend machen kann, unterliegen der Verjährung.
 

Normenkette

InsO §§ 38, 96, 131

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.05.2015; Aktenzeichen VII R 37/13)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 21.12.2006 über das Vermögen der Z GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin) durch Beschluss des Amtsgerichts H. eröffneten Insolvenzverfahren. Für seine vorangegangene Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter seit dem 02.10.2006 ist vom Amtsgericht H. auf Antrag des Klägers vom 14.01.2010 mit Beschluss vom 12.01.2010 eine Vergütung in Höhe von 50.994,03 € zuzüglich 8.159,04 € Umsatzsteuer festgesetzt worden. Dieser Betrag wurde im 1. Quartal 2010 aus der Insolvenzmasse entnommen. Die Umsatzsteuer hat der Kläger als Vorsteuer der Insolvenzschuldnerin in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Quartal 2010 geltend gemacht. Das Finanzamt verrechnete den angemeldeten Vorsteuerbetrag mit Umsatzsteuerverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin, aus 2000 in Höhe von 7.015,42 € und aus 2005 in Höhe von 1.143,62 €.

Nachdem der Kläger gegen die Verrechnung Einwendungen erhoben hatte, erteilte das Finanzamt am 29.05.2012 einen Abrechnungsbescheid, gegen den sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren mit seiner Klage wendet.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Aufrechnungserklärung des Finanzamts das Aufrechnungsverbot nach §§ 96 Abs. 1 Ziff. 3, 131 Abs. 1 Ziff. 1 Insolvenzordnung (InsO) entgegenstehe. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 02.11.2010 VII R 62/10, BStBl II 2011, 439) sei klargestellt, dass eine Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig sei, sofern bei der Erbringung der Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen der §§ 130, 131 InsO vorgelegen hätten. Im Streitfall sei der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt. Danach sei eine Rechtshandlung anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung ermöglicht, die er nicht beanspruchen könne und wenn die betreffende Rechtshandlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden sei. Die in diesem Sinne maßgebliche Rechtshandlung sei die Leistung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter, die erst nach Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden sei. Hierdurch sei dem Finanzamt die Möglichkeit der Aufrechnung und damit der Befriedigung seiner Steuerforderungen gegen die Gemeinschuldnerin verschafft worden. Diese habe das Finanzamt nach § 131 Abs. 1 InsO gegenüber der Gemeinschuldnerin nicht beanspruchen können.

Der Anspruch sei nicht verjährt. Es könne dahinstehen, ob sich die Verjährung nach Vorschriften der Abgabenordnung oder nach § 146 Abs. 1 InsO in Verbindung mit §§ 195 ff BGB richte. Der Anfechtungsanspruch sei nach den Vorschriften des § 146 InsO mit §§ 195 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verjährt. Der Kläger ist der Auffassung, dass die dreijährige Anfechtungsfrist frühestens mit der Erklärung der Aufrechnung durch das Finanzamt zu laufen beginne. Denn erst ab diesem Zeitpunkt sei ein Anfechtungstatbestand entstanden, der durch den Insolvenzverwalter angefochten werden könne. Das Finanzamt habe am 23.04.2010 die Umbuchung des Vorsteueranspruchs des Gemeinschuldners auf rückständige Umsatzsteuer mitgeteilt. Frühestens ab diesem Zeitpunkt könne die Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Sollte der Zeitpunkt der Leistung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die Verjährung maßgebend sein, werde der Verjährungsbeginn nach Maßgabe des § 199 Abs. 1 BGB hinausgeschoben. Denn wegen der Änderung der Rechtsprechung des BFH sei die Rechtslage unsicher und zweifelhaft gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 29.05.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2012 dahingehend abzuändern, dass ein Umsatzsteuerguthaben der Insolvenzschuldnerin in Höhe von 8.159,04 € bestehe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist der Auffassung, dass der Anfechtungsanspruch des Klägers nach § 146 InsO verjährt sei. Maßgebliche Rechtshandlung sei die Leistung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter, durch die der Vorsteuer-Erstattungsanspruch zwar steuerrechtlich noch nicht entstanden sei, wohl aber als insolvenzrechtlicher Anspruch begründet worden sei. Der Kläger sei durch Beschluss des Amtsgerichts am 02.10.2006 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Das Insolvenzverfahren selbst sei mit Beschluss vom 20.12.2006 eröffnet worden. Nach den Verjähr...

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