Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkung einer rückwirkenden Stundung auf gegebene Aufrechnungslage bei abgetretener Forderung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Durch Hinausschieben der Fälligkeit einer Steuerforderung fällt grds. eine Voraussetzung der Aufrechnung weg. Die Finanzbehörde kann daher mit einer gestundeten Forderung nicht aufrechnen, sie muss vielmehr die Stundung vor der Aufrechnung widerrufen.
  2. Die o.a. Grundsätze gelten nicht für rückwirkende Stundungen. Durch die (rückwirkende) Hinausschiebung der Fälligkeit werden die materiell-rechtlichen Verzugsfolgen aufgehoben, sodass mangels Fälligkeit keine Säumniszuschläge entstehen. Die rückwirkende Stundung stellt sich damit als Vollstreckungsschutz und Verzicht des FA auf die bislang angefallenen Säumniszuschläge dar.
 

Normenkette

AO §§ 46, 226 Abs. 1; BGB §§ 387, 389

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.07.2004; Aktenzeichen VII R 55/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA -) gegenüber einer der Klägerin abgetretenen Forderung mit einer dem Zedenten rückwirkend gestundeten Forderung aufrechnen durfte.

Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Zu ihren Mandanten zählten auch die beim beklagten FA veranlagten Eheleute C., für die die Klägerin Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen fertigte. Am 9. Februar 1999 traten die Eheleute C. u.a. den künftigen von ihnen als „Erstattungsanspruch” bezeichneten Vergütungsanspruch bezüglich Umsatzsteuer 1997 in erwarteter Höhe von 7.662,33 DM an die Klägerin ab. Die auf dem dafür vorgesehenen Vordruck gefertigte Abtretungsanzeige ging dem FA am 10. Februar 1999 zu.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2000 setzte das FA gegenüber den Eheleuten C. eine Erstattung für Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 5.546,80 DM und Erstattungszinsen in Höhe von 248 DM fest. In diesem Bescheid wurde weiterhin mitgeteilt, dass ein Teil des Guthabens in Höhe von 7,00 DM auf Säumniszuschläge Einkommensteuer 1996 in Höhe von 7,00 DM umgebucht worden sei; weiterhin erfolge eine Anrechnung auf demnächst fällige Beträge für Umsatzsteuer 1996 in Höhe von 2.540,60 DM und Zinsen Umsatzsteuer 1996 in Höhe von 262,00 DM. Über die Verwendung des verbleibenden Guthabens würden die Steuerpflichtigen eine gesonderte Mitteilung erhalten.

In der Folgezeit forderte die Klägerin unter Hinweis auf die erfolgte Abtretung das Umsatzsteuerguthaben beim FA telefonisch an. Eine Auszahlung – auch von Teilbeträgen – erfolgte jedoch nicht. Statt dessen erklärte das FA mit Schreiben vom 28. April 2000 gegenüber der Klägerin die Aufrechnung gegen den an die Klägerin abgetretenen Vergütungsanspruch des Mandanten C. aus der Umsatzsteuer 1997. In dem Schreiben heißt es weiter: „Das Guthaben wurde entgegen den Erläuterungen im Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 05.01.2000 wie folgt umgebucht:

Erstattungsanspruch 1997

5.546,80 DM

./. Einkommensteuer 1996

4.626,00 DM

./. Zinsen Einkommensteuer 1996

248,00 DM

./. Solidaritätszuschlag 1996

165,80 DM

./. Säumniszuschläge ESt 1996

7,00 DM

./. Zwangsgeld Abgabe ESt-Erklärung 98

500,00 DM

Restbetrag

0,00 DM

Die Guthaben-Zinsen aus der Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 248 DM wurden umgebucht auf den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1996.”

Dieses Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der gegen diesen „Bescheid” Einspruch eingelegt werden konnte. Nachdem die Klägerin Einspruch erhoben hatte, gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Aufrechnungserklärung gemäß § 226 Abgabenordnung (AO) kein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO sei. Dementsprechend wertete es den Einspruch gegen die Aufrechnungserklärung als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO. Ein entsprechender Abrechnungsbescheid wurde am 24. Mai 2000 erteilt. Der Inhalt des Bescheides entspricht exakt der Aufrechnungserklärung vom 28. April 2000.

Der Gegenforderung (Anspruch des FA gegen Eheleute C. wegen Einkommensteuer 1996 einschließlich Nebenleistungen) liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin gab für die Eheleute C. die Einkommensteuererklärung für 1996 am 22.10.1998 beim FA ab. Gleichzeitig stellte sie für ihre Mandanten einen Stundungsantrag bis zur Veranlagung des Kalenderjahres 1997, da die Gewinnermittlung für 1997 einen Verlust ausweise.

Die Einkommensteuer für 1996 setzte das FA mit Bescheid vom 09.11.1998 in Höhe von 9.562 DM fest. Im Abrechnungsteil dieses Bescheides wurde unter Anrechnung bereits getilgter Steuern ein Unterschiedsbetrag von 7.148 DM (Einkommensteuer), 248 DM (Zinsen) und 450,45 DM (Solidaritätszuschlag), insgesamt 7.846,45 DM, bis zum 14.12.1998 eingefordert.

Am 6. Januar 1999 lehnte das FA den Antrag auf Stundung der Einkommensteuer 1996 ab, da die Einkommensteuererklärung 1997 noch nicht vorliege. Nachdem die Einkommensteuererklärung der Eheleute C. für 1997 am 9. Februar 1999 beim FA eingereicht worden war, vermerkte ein Mitarbeiter des FA in den Steuerakten (Bl. 9 der Stundungsakte), dass der Geschäftsführer...

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