Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingetragene Lebenspartnerschaft: Zusammenveranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. An der Versagung der Zusammenveranlagung für eingetragene Lebenspartnerschaft bestehen ernstliche Zweifel.
  2. Hinsichtlich des Beschlusses des BVerfG vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721) zur Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz a.F. kann die steuerliche Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften im Vergleich zur Ehe nicht aufrechterhalten werden.
 

Normenkette

EStG §§ 26, 26b; GG Art. 6, 3

 

Streitjahr(e)

2008

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin als Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammen mit ihrer Lebenspartnerin zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.

Die Antragstellerin begründete mit ihrer Lebenspartnerin am 29. Dezember 2008 eine eingetragene Lebenspartnerschaft.

Sie beantragte im Veranlagungsverfahren für das Jahr 2008, mit ihrer Lebenspartnerin zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden.

Der Antragsgegner hob den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides mit Bescheid vom … nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf.

Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom … veranlagte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut einzeln zur Einkommensteuer.

Auf ihren Einspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen setzte der Antragsgegner Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 684 EUR von der Vollziehung aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Mit ihrem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung macht die Antragstellerin geltend, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft verfassungswidrig sei.

Die Antragstellerin beantragt,

die im Einkommensteuerbescheid 2008 vom … festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von …. auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einzelveranlagung seien nicht gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einzelveranlagung der Antragstellerin zur Einkommensteuer 2008.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts können sich dabei auch aus einer behaupteten Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Norm ergeben. Denn der Bürger hat einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Abgaben herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 3.12.1958, 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1959, 91, und vom 10.03.1998, 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332, NJW 1998, 2128).

Vorliegend hat die Antragstellerin nach dem Wortlaut der in Betracht kommenden einkommensteuerlichen Vorschriften keine Möglichkeit, eine Zusammenveranlagung zu erreichen. Ein Anspruch auf Zusammenveranlagung besteht nicht, weil der Gesetzgeber dieses Verfahren nach §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausdrücklich auf Ehegatten beschränkt hat (BFH-Urteile vom 26.01.2006, III R 51/05, BStBl II 2006, 515 und vom 20.07.2006, III R 8/04, BFH/NV 2006, 1966). Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sind vom Wortlaut der Vorschriften mithin nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften ist mangels einer unbewussten Regelungslücke des Gesetzgebers gleichfalls nicht geboten (BFH-Urteil vom 26.01.2006, III R 51/05, BStBl II 2006, 515).

Der Ausschluss der Antragstellerin als Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Anwendung der Regelungen über das Ehegattensplitting ist nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch verfassungswidrig.

In Fällen, in denen der Gesetzgeber eine mit der sexuellen Orientierung von Personen zusammenhängende Differenzierung vornimmt, fordert das Bundesverfassungsgericht eine strenge Gleichheitsprüfung (vgl. dazu im einzelnen BVerfGE 12...

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