Leitsatz

1. Der Senat hält auch für Art. 4 Abs. 1 DBA Österreich 1954 daran fest, dass sich der Begriff der Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen im Sinn dieser Vorschrift auf einen Nettobetrag bezieht und dass Deutschland deshalb auch für Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Österreich befindlichen Betriebsstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 28.6.2006, I R 84/04, BFH-PR 2006, 508, BStBl II 2006, 861, und vom 22.8.2006, I R 116/04, BFH-PR 2006, 510, BStBl II 2006, 864; vom 13.11.2002, I R 13/02, BFH-PR 2003, 242, BStBl II 2003, 795).

2. Von der in § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG und § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990 bestimmten Nachversteuerung negativer ausländischer Betriebsstätteneinkünfte, welche in einem vorangegangenen Veranlagungszeitraum nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG, § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen worden sind, kann nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Satz 4 AIG, § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 nur dann abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staats ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann. An einem derartigen "allgemeinen" Ausschluss des Verlustabzugs fehlt es, wenn sich der Abzugsausschluss lediglich aus Gründen der verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalls verbietet.

3. Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Steht Art. 31 des EWR-Abkommens der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen,

  • nach welcher ein in dem einen Mitgliedstaat ansässiger und dort unbeschränkt Steuerpflichtiger zwar nach einem DBA von der ESt befreite Verluste aus in einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte unter bestimmten Voraussetzungen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abziehen kann,
  • nach der der abgezogene Betrag jedoch, soweit sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem DBA zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen ist,
  • Letzteres allerdings dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des anderen Mitgliedstaats ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr "allgemein" nicht beansprucht werden kann, woran es fehlt, wenn ein Verlustabzug in dem anderen Staat nach dessen Recht zwar allgemein eingeräumt wird, jedoch in der konkreten Situation, in der sich der Steuerpflichtige befindet, unterbleibt?

b) Bejahendenfalls: Wirkt es sich auf den Ansässigkeitsstaat aus, wenn die Verlustabzugsbeschränkungen in dem anderen Mitgliedstaat (als dem Quellenstaat) ihrerseits gegen Art. 31 des EWR-Abkommens verstoßen, weil sie den dort mit seinen Betriebsstätteneinkünften nur beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber den dort unbeschränkt Steuerpflichtigen benachteiligen?

c) Weiterhin bejahendenfalls: Muss der Ansässigkeitsstaat auf die Nachversteuerung der ausländischen Betriebsstättenverluste verzichten, soweit diese andernfalls in keinem Mitgliedstaat abgezogen werden können, weil die Betriebsstätte im anderen Mitgliedstaat aufgegeben worden ist?

 

Normenkette

§ 2a Abs. 3 EStG 1990, § 2 Abs. 1 AIG, Art. 4 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 DBA-Österreich 1954, Art. 31 EWR-Abkommen

 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine in Deutschland ansässige GmbH, die von 1982 bis zum Streitjahr 1994 eine Betriebsstätte in Österreich unterhielt. Bis einschließlich des Jahrs 1990 erzielte sie in dieser Betriebsstätte Verluste, welche für die Veranlagungszeiträume 1982 bis 1990 auf ihren Antrag vom FA gem. § 2 Abs. 1 AIG – bis 1989 (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 AIG) – bzw. gem. § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 – ab 1990 (vgl. § 52 Abs. 2a EStG 1990) –, jeweils i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich 1954, mit den jeweiligen positiven inländischen Einkünften verrechnet wurden. Von 1991 bis 1994 erzielte die Klägerin in der Betriebsstätte Gewinne.

Das österreichische Steuerrecht kannte bis einschließlich 1988 keinen Verlustvortrag für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften. Erst mit dem (österreichischen) AbgÄndG 1989 wurde der Verlustabzug für gewerbliche Betriebsstätten in Österreich eingeführt, und zwar auch für solche vor dem 31.12.1988 entstandene Verluste, die in den vorangegangenen 7 Jahren entstanden waren.

Nach § 102 Abs. 2 Nr. 2 öEStG 1988 konnte ein Verlustabzug allerdings nur insoweit beansprucht werden, als die Verluste der österreichischen Betriebsstätte die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen.

Österreich ließ danach einen Verlustabzug also nur subsidiär für den Fall zu, dass eine Verlustberücksichtigung im Stammhausstaat nicht möglich war. Da die Klägerin in den Veranlagungszeiträumen 19...

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