Leitsatz

Ein buchführungspflichtiger, aber pflichtwidrig keine Bücher führender Landwirt (sog. Schätzungslandwirt) kann gegenüber einer Richtsatzschätzung keine individuellen gewinnmindernden Besonderheiten seines Betriebs geltend machen, die Schätzung aber jederzeit durch Einrichtung einer Buchführung oder Führung von Aufzeichnungen vermeiden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ermöglichen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 EStG , § 162 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein buchführungspflichtiger Landwirt mit einem Schweinemastbetrieb, legte dem FA seit Jahren keine Gewinnermittlung vor. Stattdessen gab er eine nach der Zahl der Mastplätze rechnerisch ermittelte Zahl von veräußerten Mastschweinen an. Das FA schätzte den Gewinn nach den Richtsätzen der OFD Hannover, die beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 1990/91 erhöht worden waren. Statt wie im Wirtschaftsjahr 1989/90 18 300 DM ergab sich in den beiden streitigen Folgejahren ein Gewinn von 57 800 DM bzw. 70 100 DM.

Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Argument, die Richtsätze beruhten auf der bewirtschafteten Fläche. Sein Betrieb habe aber einen erheblich unterdurchschnittlichen Tierbesatz. Das FG gab der Klage statt und ermittelte anhand der Mastplätze einen geringeren Mastschweineverkauf. Auf der Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung ergaben sich Gewinnabschläge von ca. 40 000 DM bzw. 45 500 DM.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Das FA sei zu einer Vollschätzung des Gewinns verpflichtet gewesen, weil der Kläger weder Bücher geführt noch Belege vorgelegt habe. Die Richtsatzschätzung sei in der Regel die brauchbarste Schätzungsmethode, weil sie aus allgemein zugänglichen Daten zahlreicher Vergleichsbetriebe entwickelt werde. Für die Berücksichtigung individueller Besonderheiten sei aber kein Raum.

Die Richtigkeit der Richtsätze unterliege richterlicher Prüfung. Vorliegend habe das FG die Richtsätze ausdrücklich anerkannt, woran der BFH gebunden sei. Unzulässig habe das FG aber zwei Schätzungsmethoden verbunden, indem es die Richtsätze mit einer Deckungsbeitragsrechnung kombiniert habe. Dass sich höchst unterschiedliche Gewinne in den verschiedenen Jahren ergeben hätten, sei evtl. auf die Preisentwicklung für Mastschweine zurückzuführen.

 

Hinweis

1. In der Landwirtschaft wird weitgehend die Schätzung als eine normale Form der Gewinnermittlung angesehen. Aus Beratersicht wird nach Auswertung der Buchführungsunterlagen, teils sogar nach Fertigstellung einer Buchführung, gelegentlich dazu geraten, keine Gewinnermittlung abzugeben, weil eine Schätzung zu einem niedrigeren Gewinn führen werde. Dieser Entwicklung tritt der BFH nachdrücklich entgegen. Die Nichterfüllung der Buchführungspflicht ist eine Pflichtwidrigkeit, die nicht toleriert werden kann. Die Finanzverwaltung sollte mit den ihr zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln auf die Einhaltung der Buchführungspflicht hinwirken.

2. "Strafschätzungen" sind allerdings unzulässig, wenn trotzdem keine Buchführung vorgelegt wird. Es muss dann versucht werden, den wirklichen Gewinn annähernd durch Schätzung zu ermitteln. Die mit ha-Werten operierenden landwirtschaftlichen Richtsätze der OFDen werden vom BFH ausdrücklich als besonders geeignete Schätzungsmethode anerkannt. Wenn die Richtsätze zutreffend aus dem Zahlenmaterial der Landwirtschaftskammern abgeleitet worden und in sich schlüssig sind, werden die Schätzungsergebnisse akzeptiert. Individuelle Besonderheiten des einzelnen Betriebs bleiben dabei unberücksichtigt. Dies muss der Schätzungslandwirt nach Meinung des BFH hinnehmen.

Allerdings zeigt der BFH auch den Ausweg auf: Wenn Aufzeichnungen und Unterlagen vorgelegt werden, die eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermöglichen, kann der Gewinn auf dieser Grundlage ermittelt werden. Als Berater sollten Sie dem Landwirt deshalb empfehlen, in jedem Fall zumindest die für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erforderlichen Unterlagen aufzubewahren.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.3.2001, IV R 67/99

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