Leitsatz

"Rechtsgeschäft unter Lebenden" i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist auch die Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter (§ 723 BGB).

 

Normenkette

§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG , § 723 BGB

 

Sachverhalt

An einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) waren zunächst M zu 45 %, W zu 20 % und H zu 35 % beteiligt. Zum Gesellschaftsvermögen gehörten Grundstücke. Ende 1996 kündigte H den Gesellschaftsvertrag; die GbR wurde vertragsgemäß mit den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt. M war nunmehr zu 69,23 % und W zu 30,77 % beteiligt.

Ende 1998 übertrug die GbR die Grundstücke auf die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, an der M und W als einzige Kommanditisten ebenfalls zu 69,23 % bzw. 30,77 % und die Komplementärin kapitalmäßig nicht beteiligt waren.

Das FA ließ die Grunderwerbsteuer für die Veräußerung der Grundstücke nicht gänzlich gem. § 6 Abs. 3 GrEStG unerhoben, sondern gem. Abs. 4 der Vorschrift nur zu 65 %, weil M und W ihre weitergehende Beteiligung an der GbR innerhalb von fünf Jahren vor dem nunmehr zu besteuernden Erwerbsvorgang durch die Kündigung des H erworben hätten.

Die dagegen erhobene Klage, mit der die Klägerin eine völlige Steuerbefreiung verlangte, hatte Erfolg. Das FG verstand unter Rechtsgeschäft i.S.d. § 6 Abs. 4 GrEStG lediglich vertragliche Vereinbarungen.

 

Entscheidung

Dem folgte der BFH nicht. Er hob vielmehr die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Der in § 6 Abs. 4 GrEStG verwendete Begriff "Rechtsgeschäft unter Lebenden" umfasst alle Arten der Rechtsgeschäfte, die wie eine Kündigung auf den Eintritt eines bestimmten rechtlichen Erfolgs richtet sind. Daher liegt in der durch die Kündigung des H bewirkten Anwachsung seiner Beteiligung bei M und W gem. § 738 BGB ein rechtsgeschäftlicher Erwerb vor.

§ 6 Abs. 4 GrEStG geht typisierend davon aus, dass für die Änderung der Beteiligungsverhältnisse in der Regel steuerliche Gründe maßgebend sind, wenn die Änderung innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Grundstücksgeschäft erfolgt. Dieser Rechtsgedanke gilt auch bei einem Anteilserwerb durch Anwachsung infolge einer Kündigung des Gesellschaftsvertrags.

 

Hinweis

Bei Grundstücksveräußerungen durch eine Personengesellschaft an eine ganz oder teilweise personenidentische andere Personengesellschaft ist wegen der Einschränkung der Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 6 Abs. 4 GrEStG stets zu prüfen, ob sich die Gesellschafterverhältnisse bei der veräußernden Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren vor der beabsichtigten Grundstücksveräußerung verändert haben. Die Gesellschafter können dann in Kenntnis der zu erwartenden Grunderwerbsteuerbelastung überlegen, ob die Grundstücksveräußerung gleichwohl vorgenommen werden soll.

Besonders dann, wenn die fünf Jahre nach einer rechtsgeschäftlichen Änderung der Beteiligungsverhältnisse schon weitgehend verstrichen sind und für die restliche Zeit mit der Grundstücksveräußerung noch hätte zugewartet werden können, wäre es ärgerlich, diesen Gesichtspunkt übersehen zu haben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.12.2002, II R 31/01

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