Leitsatz

1. Aufwendungen für einen Familienrechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinen nichtehelichen Kindern können unter Geltung des früheren § 1711 BGB dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, wenn die Mutter jeglichen Umgang des Vaters mit den Kindern grundlos verweigert.

2. Die Kosten für eine Verfassungsbeschwerde sind dann eine außergewöhnliche Belastung, wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schwerwiegend, die Gesetzeslage verfassungsrechtlich umstritten ist und wenn während des Beschwerdeverfahrens das Gesetz im Sinn des Beschwerdeführers geändert wird, so dass der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt und die Annahme auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten angezeigt ist, weil nach dem neuen Gesetz die Grundrechtsverletzung anderweitig beseitigt werden kann.

 

Normenkette

§ 33 Abs. 1 EStG , § 1711 BGB , Art. 6 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Vater der im Jahr 1992 geborenen Zwillinge K und A. Nach der Trennung der nicht miteinander verheirateten Eltern verweigerte die Mutter den Umgang des Klägers mit den Kindern.

Der Kläger stellte daraufhin beim Vormundschaftsgericht im Jahr 1995 einen Antrag auf Gewährung eines Umgangsrechts mit seinen Kindern, den er auf den zwischenzeitlich aufgehobenen § 1711 BGB stützte. Vorausgegangene Vermittlungsversuche des Jugendamts zwischen den Elternteilen waren gescheitert.

Gegen die ablehnende Entscheidung des Amts- und Landgerichts erhob der Kläger Verfassungsbeschwerde, die vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Zur Begründung führte es aus, der Verfassungsbeschwerde komme nach dem In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde sei auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Klägers angezeigt, da sein Anliegen nach einer eigenständigen Prüfung durch die Fachgerichte in einem Abänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB auf der Grundlage des neuen Rechts berücksichtigt werden könne, ohne dass es einer Aufhebung der angegriffenen Entscheidung durch das BVerfG bedürfe.

Dem Kläger machte die im Streitjahr 1996 im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht und der Verfassungsbeschwerde wegen des Umgangsrechts entstandenen Aufwendungen vergeblich als außergewöhnliche Belastung geltend. Die dagegengerichtete Klage war vor dem BFH erfolgreich.

 

Entscheidung

Der BFH war der Auffassung, die Kosten für den Rechtsstreit und die Verfassungsbeschwerde könnten ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern berührten einen Kernbereich menschlichen Lebens. Werde einem Elternteil der Umgang mit den Kindern grundlos völlig verweigert, führe dies zu einer tatsächlichen Zwangslage, die die Anrufung des Vormundschaftsgerichts für diesen Elternteil unabweisbar mache. Die Erfolgsaussichten eines derartigen Verfahrens ließen sich wegen der vielfältigen persönlichen Umstände, die hierbei eine Rolle spielten, regelmäßig auch nicht abschätzen. Derartige Kosten seien nicht durch die allgemeinen Freibeträge abgegolten.

Auch die Kosten für die Verfassungsbeschwerde seien ausnahmsweise zwangsläufig. Zwar sei die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde regelmäßig nur zwangsläufig, wenn sie Erfolg habe. Eine Ausnahme gelte jedoch dann, wenn über die Verfassungsbeschwerde deshalb nicht entschieden worden sei, weil sich während des Beschwerdeverfahrens das Gesetz im Sinn des Beschwerdeführers geändert habe und es eine Möglichkeit eröffne, die grundrechtswidrige Beeinträchtigung zu beseitigen. Die Kosten für die Verfassungsbeschwerde seien jedenfalls dann abziehbar, wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schwerwiegend und die Gesetzeslage – wie hier – umstritten gewesen sei.

 

Hinweis

Nach der Rechtsprechung des BFH sind Kosten für einen Zivilprozess grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, denn sie sind die Folge von in freier Willensentschließung selbst gesetzten Ursachen. Niemand ist verpflichtet, sich auf einen Zivilprozess einzulassen. Hiervon macht der BFH dann eine Ausnahme, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können, wobei der BFH allerdings diese Voraussetzungen bislang in keinem einzigen Fall bejaht hat. Ferner sind Kosten einer Ehescheidung und bestimmter mit der Scheidung zusammen zu verhandelnder Scheidungsfolgesachen abziehbar.

Eine weitere Ausnahme hat nun der BFH in einem Fall angenommen, in dem einem Vater der Umgang mit seinen unehelichen Kindern von der Kindsmutter grundlos völlig versagt wurde. Nach dem früheren § 1711 BGB bestimmte allein die Mutter den Umgang der Kinder mit dem unehelichen Vater. Nach dieser verfassungsrechtlich zweifelhaften Rechtslage konnte der Vater nur über die Anrufung des Vormundschaftsgerichts einen Umgang...

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