Leitsatz

Die Ablehnung einer nachträglich beantragten Kindergeldfestsetzung wegen des Unterschreitens des Jahresgrenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG durch Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge eines Kindes ist nur für die Monate rechtmäßig, für die die Bindungswirkung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides eingetreten ist.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt für ihren Sohn Kindergeld für das Jahr 2004. Mit Bescheid v. 18.4.2005 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab 1.1.2004 auf, da die Einkünfte des Sohnes den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten hätten. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG v. 11.1.2005 (2 BvR 167/02) beantragte die Klägerin am 2.6.2005 die Rückerstattung des zurückgezahlten Kindergeldes. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 18. 4. 2005 nicht mehr geändert werden könne, da die Bindungswirkung bis einschließlich des Monats seiner Bekanntgabe (April 2005) eingetreten sei. Im Einspruchs- und Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass die Neufestsetzung des Kindergelds nach § 70 Abs. 4 EStG bei verfassungskonformer Auslegung geboten sei, weil die Ablehnung der Anwendbarkeit von § 70 Abs. 4 EStG gegen Artikel 3 GG verstoße. Der Umstand, ob der Kindergeldberechtigte Kindergeld beantragt hat (z. B. weil er auf das Geld angewiesen ist) oder ob ein solcher Antrag bisher nicht gestellt wurde, sei rein zufällig. Aus diesem Grund dürfe derjenige, dessen Antrag seiner Zeit wegen Überschreitens der Einkommensgrenze bestandskräftig abgelehnt worden sei nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der erst nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG v. 11.1.2005 (2 BvR 167/02) einen Kindergeldantrag erfolgreich gestellt hat.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG ist die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis Dezember 2004 rechtmäßig, da die in Betracht kommenden Korrekturnormen des EStG sowie der AO nicht einschlägig sind. Die Familienkasse kann sich auch unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 33 Abs. 5 GG auf die Bestandskraft des Bescheids v. 18.4.2005 berufen, da der bestandskräftige Bescheid einen rechtfertigenden Grund für die gerügte unterschiedliche Behandlung darstellt. Die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist jedoch für die Monate Januar bis April 2005 rechtswidrig, da der Aufhebungsbescheid v. 18.4.2005 keine Bindungswirkung für diesen Zeitraum entfaltet. Nach dem Inhalt des Bescheids v. 18.4.2005 wurde die Kindergeldfestsetzung ab 1.1.2004 aufgehoben. Da der Bescheid keine weiteren Angaben zu einem konkreten Zeitraum der Kindergeldaufhebung enthält, hat das FG die Bindungswirkung durch Auslegung ermittelt. Weil in dem Bescheid als Grund für die Aufhebung die Überschreitung der Einkunftsgrenze für das Jahr 2004 genannt ist, kann der Bescheid auch nur für dieses Jahr Bindungswirkung entfalten und das Kindergeld für Januar bis April 2005 ist zu gewähren.

 

Hinweis

Die von dem FG zugelassene Revision ist inzwischen eingelegt und wird unter dem Az. III R 85/07 geführt. Obwohl der BFH mit Urteil v. 28.11.2006 (III R 6/06) die Anwendung des § 70 Abs. 4 EStG in den Fällen einer bestandskräftigen Prognoseentscheidung abgelehnt hat, sollten Betroffenen unter Hinweis auf dieses neue Revisionsverfahren die Änderung der bestandskräftigen Ablehnungsbescheide beantragen, da abzuwarten ist, wie der BFH den Einwand des Verstoßes gegen Art. 3 GG beurteilt. Außerdem eröffnet das FG Urteil die Möglichkeit der nachträglichen Kindergeldgewährung für die Fälle, in denen wie im Urteilsfall die Familienkasse in dem Aufhebungsbescheid keinen konkreten Zeitraum genannt hat.

 

Link zur Entscheidung

FG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2007, 14 K 5328/05 Kg

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