Leitsatz

Leistet ein Student den praktischen Teil seiner Hochschulausbildung in einem Betrieb außerhalb der Hochschule ab, ist der Betrieb nicht seine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Kosten für die Wege dorthin sind uneingeschränkt als Werbungskosten abziehbar.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 5, § 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, *§ 9 Abs. 6, § 52 Abs. 23d Satz 5 EStG i.d.F. d. BeitrRLUmsG

 

Sachverhalt

Ks 1984 geborener Sohn J studierte seit 2004 und beendete das Studium 2009 erfolgreich. J hatte dabei zwei praktische Studiensemester in Betrieben außerhalb der Hochschule abzuleisten, blieb dabei aber Student und Mitglied der Hochschule. J schloss dazu mit der Z-GmbH einen "Ausbildungsvertrag für das Studium mit vertiefter Praxis". Die GmbH hatte den "Studenten" danach vom 1.8.2005 bis 31.7.2008 auszubilden und leistete eine monatliche Ausbildungsvergütung; 2007 waren das 12.845 EUR abzgl. SV-Beiträge von 2.621 EUR. J suchte die GmbH an 173 und die Hochschule an 47 Tagen auf (Entfernung Wohnung/Z-GmbH 20 km; zur Hochschule 10 km). Die Studiengebühren betrugen 577 EUR. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für 2007 auf, weil Js Einkünfte und Bezüge den Jahresbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten. K wandte ein, die Wegekosten zur GmbH seien unbeschränkt abziehbar, weil die Z-GmbH nicht Js regelmäßige Arbeitsstätte gewesen sei. Die Klage blieb erfolglos (FG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2010, 7 K 1081/2009, Haufe-Index 2629114). Das FG ermittelte die Einkünfte wie folgt: 12.845 EUR – 2.621 EUR – 1.038 EUR (Wk Wege zur GmbH, 173 x 20 km x 0,30 EUR/km) – 282 EUR (Fahrten zur Hochschule, 47 x 10 km x 0,30 EUR/km x 2) – 577,00 EUR (Studiengebühren) = 8.327 EUR Einkünfte.

 

Entscheidung

Der BFH hob mit seiner hier erläuterten eigenen Einkünfteermittlung die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.

 

Hinweis

Im Streitfall ging es um die alte Rechtslage, die den Kindergeldanspruch von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes abhängig machte (§ 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Er führte zum lohnsteuerrechtlichen Dauerthema der "regelmäßigen Arbeitsstätte", für die ab 1.1.2014 umfangreiche Neuregelungen gelten (§ 9 EStG i.d.F.d. UntSt/RKVereinfG vom 20.2.2013, BGBl I 2013, 285) sowie zum Thema Werbungskosten und Berufsausbildung, neu und rückwirkend geregelt in § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. d. BeitrRLUmsG.

1. Entscheidend war, ob Js Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag von 7.680 EUR überschritten. Zu deren Ermittlung sei hier auf die jüngsten Urteile verwiesen (ausführlich: BFH, Urteil vom 5.7.2012, VI R 99/10, BFH/NV 2012, 1870, BFH/PR 2012, 398 m.w.N.). Hier war entscheidungserheblich, ob die Kosten für die Wege zur GmbH als Werbungskosten bei Js Lohneinkünften in tatsächlicher Höhe (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder nur mit der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) anzusetzen waren, ob also die GmbH regelmäßige Arbeitsstätte war. Das verneinte der Lohnsteuersenat. Js Tätigkeit bei der GmbH im Rahmen seiner Ausbildung konnte nicht als eine auf Dauer angelegte Tätigkeitsstätte angesehen werden, auf die er sich typischerweise einstellen konnte (BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 44/10, BFH/NV 2012, 854, BFH/PR 2012, 178; vom 19.9.2012, VI R 78/10, BFH/NV 2013, 123, BFH/PR 2013, 39). Denn Js Tätigkeit bei der GmbH war Teil einer typischerweise nur vorübergehenden Bildungsmaßnahme. J blieb auch im praktischen Studiensemester Mitglied der Hochschule mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten, die Hochschule blieb damit trotz der praktischen Ausbildung Mittelpunkt der Tätigkeit. Das macht auch den Unterschied zu herkömmlichen Ausbildungsverhältnissen, in denen der Steuerpflichtige schon Lohneinkünfte bezieht.

2. Der Abzug der Fahrtkosten zur GmbH scheiterte auch nicht an § 9 Abs. 6 i.d.F. d. BeitrRLUmsG vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592), rückwirkend ab 2004 anwendbar (§ 52 Abs. 23d Satz 5 EStG i.d.F.d. BeitrRLUmsG). Denn hier ging es um Werbungskosten, die J "im Rahmen eines Dienstverhältnisses" entstanden waren. Nachdem diese Fahrtkosten in voller Höhe abziehbar waren, kam es auch nicht mehr auf die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Fahrtkosten zur Hochschule an. Der BFH rechnete: 12.845 EUR – 2.621 EUR (SV) – 2.076 EUR (173 x 20 km x 0,30 EUR/km x 2) – 577 EUR (besondere Ausbildungskosten Studiengebühren) = 7.571 EUR. Der Grenzbetrag war nicht überschritten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.1.2013 – VI R 14/12

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