3.1 Grundsätzliches

Anspruchsberechtigt auf Kindergeld kann ein Elternteil auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sein, wenn er entweder

  • nach § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten ESt-Pflicht unterliegt oder
  • nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird (= fiktive unbeschränkte Steuerpflicht).[1]
[1] DA A 2.2.1 DA-KG 2023.

3.2 Erweiterte unbeschränkte ESt-Pflicht

Zu dem Personenkreis, der aufgrund der Bestimmung von § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG der erweiterten unbeschränkten ESt-Pflicht unterliegt, gehören

  • im Ausland wohnende
  • deutsche Staatsangehörige, die
  • als Beamte, Richter, Soldaten oder Arbeitnehmer
  • zu einer inländischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen

und

  • dafür Arbeitslohn
  • aus einer inländischen öffentlichen Kasse oder von einer inländischen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft beziehen.

Weiter zählen zu dem Personenkreis, der der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt,

  • Angehörige, die
  • zum Haushalt einer Person gehören, die die o. g. Voraussetzungen erfüllt und
  • die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder
  • keine Einkünfte bzw. nur im Inland steuerpflichtige Einkünfte beziehen.

Im Wesentlichen gehören zum o. g. Personenkreis

  • Mitglieder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung und
  • deren zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige;
  • Auslandslehrkräfte nur dann, wenn sie in den USA, Kolumbien oder Ecuador tätig sind.[2] Ist die Auslandslehrkraft in einem anderen Staat tätig, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG vorliegen.[3]

3.3 Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Kindergeldanspruchsberechtigt sind nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch Personen, die ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag[1] als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.[2]

Um den Antrag auf Behandlung als fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger stellen zu können, müssen die Betroffenen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Erzielung von inländischen Einkünften i. S. v. § 49 EStG.
  • Die inländischen Einkünfte müssen weitaus überwiegen – die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte betragen mindestens 90 % der gesamten in- und ausländischen Einkünfte – oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen.
  • Die Höhe der ausländischen Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen.

Ist ein Arbeitnehmer in die Steuerklasse II, III, IV oder V eingereiht, kann ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder auf Antrag so behandelt wird.[3] Die Feststellungen des Finanzamts zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sind für das Kindergeldverfahren grundsätzlich bindend.[4]

Allerdings ist Voraussetzung für die Anwendung von § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, dass der Anspruchsteller beim Finanzamt aufgrund eines entsprechenden Antrags als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt wird. Es reicht nicht aus, wenn lediglich die objektiven Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG erfüllt sind und das Finanzamt – rechtsfehlerhaft – eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 1 EStG durchgeführt hatte.[5]

Der Einkommensteuerbescheid mit der Anwendung von § 1 Abs. 3 EStG ist maßgebend, soweit er nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen beruht.[6] Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid materiell-rechtliche Fehler aufweist.[7]

Monatsprinzip:

Der Anspruch auf Kindergeld besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt hat und nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt worden ist.[8]

 
Wichtig

Antrag beim Finanzamt stellen[9]

In den Fällen, in denen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG objektiv vorliegen, muss beim Finanzamt der Antrag auf Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger gestellt werden. Es reicht nicht aus, wenn das Finanzamt tatsächlich eine Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 1 EStG durchführt.

Die Kindergeld-Festsetzung erfolgt zunächst im Rahmen einer Prognoseentscheidung.[10]

Nach Ablauf des Kalenderjahres hat die Familienkasse zu prüfen, ob die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG tatsächlich vorlagen (z. B. Vorlage des ESt-Bescheids) und in welchen Monaten der Berechtigte tatsächlich inländische Einkünfte erzielte.[11]

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