15.1 Grundsätzliches

Kindergeld wird nach § 64 Abs. 1 EStG nur an einen Berechtigten gezahlt.[1] Eine Halbteilung wie beim Kinderfreibetrag oder eine anderweitige Aufteilung des Kindergelds ist nach dem Gesetz ausgeschlossen. Da es i. d. R. mehrere Berechtigte für das Kindergeld gibt, nämlich die beiden leiblichen Elternteile bzw. die Pflegeeltern, den Stiefelternteil oder die Großeltern, ist die Entscheidung, an wen das Kindergeld gezahlt wird, nach den Bestimmungen des § 64 EStG zu treffen.

Nach Ansicht des BFH[2] verstößt es nicht gegen das Grundgesetz oder anderes Recht, dass

  • das Kindergeld an nur einen Berechtigten zu zahlen ist und
  • an denjenigen Berechtigten zu zahlen ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Obhutsprinzip).

Damit es zur Zahlung von Kindergeld kommt, müssen 3 Grundvoraussetzungen erfüllt sein:

  • Anspruchsberechtigter i. S. v. § 62 EStG
  • das zu berücksichtigende Kind erfüllt die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 EStG i. V. m. § 32 Abs. 3 bis 5 EStG und
  • die Kindergeldberechtigung aufgrund der Tatsache, dass

    • der Anspruchsberechtigte der einzige Berechtigte ist oder
    • der Anspruchsberechtigte nach den Regeln des § 64 EStG Kindergeldempfänger von Gesetzes wegen ist oder unter den Berechtigten dazu bestimmt wurde.

15.2 Vorrangregeln

15.2.1 Bei Haushaltsaufnahme:

Regel 1.1: Vorrang der Haushaltsaufnahme (Obhuts­prinzip):

Bei mehreren Berechtigten, von denen jedoch nur einer das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, ist das Kindergeld gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausschließlich an denjenigen zu zahlen, in dessen Haushalt das Kind lebt.[1]

Der Berechtigte, der das Kindergeld für sich beantragt, trägt die objektive Feststellungslast hinsichtlich der Aufnahme in seinen Haushalt.[2]

Eine abweichende zivilrechtliche Vereinbarung der Berechtigten ist wirkungslos.[3]

Das Obhutsprinzip hat insbesondere Bedeutung bei Trennung und Scheidung der leiblichen Eltern des Kindes.

Regel 1.2: Bestimmung des vorrangig Berechtigten bei gemeinsamem Haushalt

Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt

  • der Eltern (auch von Adoptiveltern),
  • eines Elternteils und dessen Ehegatten bzw. dessen Lebenspartner (Stiefelternteil),
  • der Pflegeeltern oder
  • der Großeltern

aufgenommen worden, können diese Personen nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den vorrangig Berechtigten für das Kindergeld bestimmen.

Ein Kind getrennt lebender Eltern ist dann in den Haushalt beider Elternteile aufgenommen, wenn es sich bei beiden in annähernd gleichem zeitlichem Umfang aufhält. In diesem Fall ist das Kindergeld an denjenigen zu zahlen, den die Eltern untereinander bestimmt haben. Auch eine vor der Trennung getroffene Bestimmung des Berechtigten bleibt wirksam, bis sie von einem Berechtigten widerrufen wird.[4]

Nach Ansicht des BFH[5] ist nicht entscheidend, dass dem aufnehmenden Berechtigten das Sorgerecht für das Kind zusteht.

Nach Rechtsauffassung des Thüringer Finanzgerichts ist es zulässig, dem nicht das Kindergeld beziehenden Elternteil bei einem paritätischen Wechselmodell (gleichwertige Haushaltsaufnahme) in der Günstigerprüfung die Zahlung von Kindergeld anzurechnen. Mit der Frage, ob die Regelung des § 31 Satz 4 2. Halbsatz EStG durch die Anerkennung dieses Modells insoweit überholt ist, beschäftigt sich derzeit der BFH.[6]

Lebt das Kind im Fall der Trennung der Eltern nicht mehr im Haushalt beider Elternteile, sondern nur noch bei einem Elternteil, endet damit die Möglichkeit der Berechtigtenbestimmung. Anspruch auf Festsetzung und Zahlung des Kindergelds hat danach nur noch der Elternteil, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat (= vorrangig Berechtigter). Der grundsätzliche Anspruch des anderen Elternteils wird durch den Anspruch des nunmehr vorrangig Berechtigten verdrängt. Der Anspruch auf Festsetzung und Zahlung des Kindergelds wird selbst dann verdrängt, wenn der aufnehmende Elternteil keinen Antrag auf Kindergeld gestellt hat.[7]

Die von den Eltern vor ihrer Trennung getroffene Bestimmung des Anspruchsberechtigten verliert nach der Trennung der Eltern endgültig ihre Wirkung, wenn das Kind nach der Trennung bei der Mutter lebt.[8]

Leben Eheleute trotz Trennung (im familienrechtlichen Sinn) weiterhin gemeinsam mit ihren Kindern in der bisherigen Familienwohnung zusammen, besteht die Zugehörigkeit der Kinder zum Haushalt beider Eltern grundsätzlich fort.[9] Haben die Eltern in diesem Fall vor der Trennung eine Berechtigtenbestimmung getroffen, bleibt diese bis zu ihrem Widerruf durch ein Elternteil wirksam.[10] Beide Elternteile haben danach unter sich den Berechtigten zu bestimmen. Die Haushaltszugehörigkeit zu beiden Elternteilen ist nur dann als aufgelöst anzusehen, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass ein Elternteil sich gänzlich seiner Verantwortung gegenüber seinen Kindern entzogen hat.[11] In diesem Fall endet mit der Trennung die Haushaltszugehörigkeit der Kinder bei demjenigen Elternteil, der sich nicht mehr um sie kümmert.

Regel 1.3: Vorrangverzicht zug...

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