Leitsatz (amtlich)

1. Durch den Austausch einzelner Komponenten einer bereits implantierten Prothese wird auch dann kein neues Produkt im Sinne des Produkthaftgesetzes hergestellt, wenn es sich um Komponenten verschiedener Hersteller handelt.

2. Der Arzt wird nicht zum Hersteller eines neuen Produktes; es handelt sich vielmehr um Reparatur der Hüftprothetik.

3. Ob ein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz oder die Medizinprodukte-Betreiberverordnung vorliegt, kann nicht isoliert ohne Eingehen auf den ärztlichen Standard gesehen werden.

4. Eine dem ärztlichen Standard entsprechende, behandlungsfehlerfreie Behandlung, die als solche geeignet und notwendig ist, die Gesundheit des Patienten wieder herzustellen, darf nicht allein deswegen versagt werden müssen, weil sich der behandelnde Arzt anderenfalls der Haftung wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften des Medizinproduktegesetzes oder die Medizinprodukte-Betreiberverordnung aussetzen würde.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 04.09.2012; Aktenzeichen 13 O 54/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Berlin vom 4.9.2012 - 13 O 54/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern Schmerzensgeld (60.000 EUR) geltend und begehrt die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung. Ferner verlangt er Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (2.362,45 EUR).

A. Dem 1922 geborenen Kläger wurde 1993 eine Hüft-TEP rechts implantiert.

Am 13.2.04 wurde ihm in der Einrichtung der Beklagten zu 1. eine zementfreie Hüft-TEP links (Model GEHE der Firma ...) implantiert.

Nachfolgend kam es zu wiederholten Luxationen (Verrenkung/Auskugelung) die durch entsprechende Eingriffe reponiert wurden.

Schließlich erfolgte am 17.9.04 eine Revisionsoperation in der Einrichtung der Beklagten zu 1., hierbei wurden Teile der Hüftprothese ausgetauscht; und zwar wurde auf einen steckbaren Konus der Originalprothese der Firma ...ein Konusadapter der Firma ...mit einem entsprechend verlängerten Kopfstück (sog. Bioball-Adapter) der Firma ...gesetzt.

Am 19.11.07 kam es zum Prothesenbruch (Bruch des Aufsteckkonus des Hüftstiels)

Am 23.11.07 erfolgte in der Einrichtung der Beklagten zu 2. eine erneute Revisionsoperation, die Beklagte zu 2. kombinierte bei dem Austausch von Teilen der Prothese wiederum einen Konusadapter der Firma ...mit einer Halsverlängerung der Firma ...(Bioball Adapter 2XL).

Der Kläger hat in der 1. Instanz im Wesentlichen geltend gemacht:

  • die Operation am 13.2.04 sei behandlungsfehlerhaft erfolgt (nicht Gegenstand der Berufung)
  • bei den Revisionsoperationen am 17.9.04 und 23.11.07 seien unzulässige Produktkombinationen erfolgt, die Ursache für den Bruch ge- wesen seien.
  • nach der letzten Revisionsoperation sei es zu einer chronischen Infektion mit Fistelbildung gekommen.
  • Eine erneute prothetische Versorgung sei wegen der Vielzahl der Vor-Operationen nicht mehr möglich; er müsse sich daher "schonend" ver-halten (Gehhilfen), damit es nicht zu einem erneuten Bruch komme (dann Rollstuhl).

Die Beklagten haben im Wesentlichen geltend gemacht:

Die beanstandete Produktkombination sei aus medizinischen Gründen notwendig gewesen, anderenfalls hätte die Endoprothese vollständig ausgebaut werden müssen. Die von den Operateuren gefundene Lösung sei für den Kläger am schonensten gewesen. Die Kombination der streitgegenständlichen Produkte sei hier möglich und sachgerecht gewesen.

Das LG hat ein Gutachten des Sachverständigen ...eingeholt (Gutachten vom 31.10.11, Bl. 159 bis 230 Bd. I d.A.). Dieser hat in der mündlichen Verhandlung am 14.8.12 sein Gutachten erläutert (Bl. 105 Bd. II d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des LG sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Bezug genommen.

C. Gegen das Urteil des LG hat der Kläger in vollem Umfang Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor:

1. Das LG habe von ihm gestellte Anträge nach § 142 Abs. 1 ZPO übergangen, nämlich den Antrag aus dem Schriftsatz vom 16.5.12 (Auflage an den Rechtsnachfolger der Firma ...Implants, die Anwenderinformationen für die Zeiträume 2004 bis 2007 an das Gericht auszuhändigen), und den Antrag aus dem Schriftsatz vom 2.7.2012 (Antrag, der Beklagten aufzugeben, die Anwenderinformationen der Produkthersteller im Hinblick auf die am 23.11.07 implantierten Prothesen vorzulegen).

2.a. Es stelle einen Verfahrensfehler dar, dass der Klä...

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