Leitsatz

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, wonach die Summe der positiven Einkünfte, soweit sie den Betrag von 100 000 DM übersteigt, durch negative Summen der Einkünfte aus anderen Einkunftsarten nur bis zur Hälfte zu mindern ist, insoweit keine ernstlichen Zweifel, als es sich bei den negativen Einkünften um solche aus Vermietung und Verpachtung handelt, die auch durch nach dem FördG begünstigte Investitionen entstanden sind.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 , § 69 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Die Antragsteller (Eheleute) erklärten für die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.H.v. 859 729 DM (1999) bzw. 829 729 DM (2000) sowie Werbungskosten-Überschüsse aus Vermietung von jeweils 737 178 DM, die insbesondere aus der Anschaffung und Modernisierung zweier Immobilienobjekte im Beitrittsgebiet resultierten.

Das FA ließ unter Anwendung von § 2 Abs. 3 EStG bei der Berechnung der Vorauszahlungen von den Werbungskosten-Überschüssen 207 314 DM (1999) bzw. 222 314 DM (2000) unberücksichtigt. Das FG setzte auf Antrag die Vollziehung der angefochtenen Vorauszahlungsbescheide wegen ernstlicher verfassungsrechtlicher Zweifel an der Regelung des § 2 Abs. 3 EStG aus.

 

Entscheidung

Der BFH hob auf die Beschwerde des FA den Beschluss des FG auf und wies die Aussetzungsanträge zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und in der Literatur erhobener Bedenken hat der BFH keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 EStG, soweit dieser für den Streitfall von Bedeutung ist.

 

Hinweis

1. Die Definitionen des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und des daraus abgeleiteten Nettoprinzips, die der BFH an den Anfang seines Aussetzungsbeschlusses gestellt hat, geben bereits die Richtung der Entscheidung vor.

Danach leitet sich der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aus dem Zusammenwirken des Demokratieprinzips, der Freiheitsrechte, der Gleichheitsrechte und des Sozialstaatsgedankens ab; er ist freiheitsschützend, fordert zugleich aber auch sozial ausgewogene Verteilungsgerechtigkeit; er bestimmt, in welchem Maß der Einzelne als zur Solidarität verpflichtetes Mitglied der Gesellschaft zur Steuerleistung heranzuziehen ist.

Das sog. Nettoprinzip gebietet zwar als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, es ist jedoch von Verfassung wegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen VZ zu verwirklichen.

Die Regelung des § 2 Abs. 3 EStG stellt die grundsätzliche Abziehbarkeit von Verlusten nicht in Frage, sondern streckt den Verlustabzug lediglich zeitlich. Sie beschränkt lediglich den vertikalen Verlustausgleich, indem sie den sofortigen Ausgleich von positiven und negativen Einkünften verschiedener Einkunftsarten von einer bestimmten Höhe an nicht mehr zulässt. Dies hält der BFH auch deshalb für gerechtfertigt, weil gut verdienende Steuerpflichtige häufig durch hohe Investitionen nach dem FördG ihre Einkommensteuerschuld gezielt herabgesetzt hatten und so das Steueraufkommen kontinuierlich gesunken war.

2. Das Rechtsstaatsprinzip, aus dem das grundsätzliche Verbot zum Erlass von rückwirkend belastenden Steuergesetzen abgeleitet wird, sieht der BFH durch die Neuregelung nicht verletzt.

Hier handelt es sich um eine sog. unechte Rückwirkung, also eine tatbestandliche Rückanknüpfung an in der Vergangenheit begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte. Die für deren Zulässigkeit erforderliche Abwägung ergibt hier, dass der durch die Gesetzesänderung verursachte Vertrauensschaden geringer wiegt als die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das gemeine Wohl. Der Gesetzgeber war gehalten, die Belastungsgleichheit wiederherzustellen und einem weiteren Rückgang des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer entgegenzuwirken.

3. Der BFH hält die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG für "verständlich und praktikabel". Offen bleibt aber, ob das auch für die schwerer verständlichen Folgesätze 4 bis 8 gilt, insoweit also auch das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG gewahrt wurde.

4. Nicht entschieden ist, ob der Gesetzgeber möglicherweise verpflichtet war, zwischen "echten" Verlusten (die sich aus unternehmerischen Tätigkeiten ergeben) und "unechten" Verlusten (die aus der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen entstehen) zu unterscheiden und die "echten" Verluste aus dem Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung herauszunehmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 9.5.2001, XI B 151/00

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