Leitsatz

1. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Mit dem Abzug der tatsächlichen Flugkosten wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung.

3. Soweit die Entfernungspauschale als entfernungsabhängige Subvention und damit als Lenkungsnorm wirkt, ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber aus verkehrs- und umweltpolitischen Motiven Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat.

4. Mit dem Abzug der tatsächlichen Flugkosten gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 3 EStG verstößt der Gesetzgeber nicht wegen eines normativen Vollzugsdefizits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 3 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Während das FA im ESt-Bescheid 2002 für Heimflüge im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung (nur) die tatsächlichen Flugkosten zum Werbungskostenabzug zugelassen hatte, begehrte der Kläger mit Einspruch und Klage jeweils im Ergebnis erfolglos den Ansatz der Entfernungspauschale auch für die mit dem Flugzeug zurückgelegte Wegstrecke.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz (FG Nürnberg, Urteil vom 18.07.2006, I 51/2005, Haufe-Index 1625293) aus den in den Praxishinweisen dargestellten Erwägungen.

 

Hinweis

Der Rechtsstreit wurde nur deshalb zu einem, weil hier – ähnlich im Fall VI R 77/06,BFH/PR 2009, 286 – ausnahmsweise der Ansatz der Entfernungspauschale zu Abzugsbeträgen führte, die deutlich über den tatsächlich entstandenen Fahrt-/Flugkosten liegen.

1. Die Rechtsgrundlagen sind eindeutig: Aufwendungen für Familienheimfahrten können für eine Fahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3, 4 EStG); dazu ist die Entfernungspauschale anzusetzen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4, 5 EStG), allerdings nicht bei Flugstrecken (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 5, 6 i.V.m. Nr. 4 S. 3 EStG). Familienheim"flüge" sind "nur" i.H.d. tatsächlichen Kosten als Werbungskosten abziehbar. Dieses Ergebnis hält der BFH in jeder Hinsicht für verfassungsrechtlich unbedenklich, nämlich sowohl aus der Perspektive des Steuerrechts als Eingriffsrecht (2.) als auch im Hinblick darauf, dass die Entfernungspauschale subventionierende  Wirkung entfaltet (3.) und auch kein normatives Vollzugsdefizit vorliegt (4.).

2. Es entspricht insbesondere der aus Art. 3 Abs. 1 GG entnommenen verfassungsrechtlichen Vorgabe, dass der Gesetzgeber im Bereich des ESt-Rechts vor allem durch die zwei eng miteinander verbundenen Leitlinien, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das der Folgerichtigkeit gebunden ist. So zuletzt das BVerfG in seiner Entscheidung zu Entfernungspauschale (BVerfG, Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, u.a. BFH/NV 2009, 338, BFH/PR 2009, 92). Wenn der Gesetzgeber daher Aufwendungen für Flüge zwischen Beschäftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung i.H.d. tatsächlichen Kosten und nicht nur beschränkt durch die Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zulässt, wahrt er das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung.

3. Die Entfernungspauschale subventioniert nach der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks. 14/4242, 5) bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, bei der Sammelbeförderung durch den Arbeitgeber und bei Fahrgemeinschaften, indem dann die tatsächlichen Kosten niedriger sind als der nach der Pauschale bemessene Aufwand. Die Flugstrecken hiervon auszunehmen begegnet angesichts der Rechtsprechung des BVerfG zu den Grundlagen und Grenzen, die der Steuergesetzgeber bei der Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele zu beachten hat, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Beim Flugzeug sind Fahrgemeinschaften nicht möglich. Da die Bahn gegenüber dem Flugzeug das umweltfreundlichere Verkehrsmittel ist, ist die unterschiedliche Behandlung der beiden Verkehrsmittel auch keine willkürliche Differenzierung. Außerdem sind bei flugzeugtypischen größeren Entfernungen Entfernungspauschale und tatsächliche Wegekosten in besonderem Maß gegenläufig.

4. Ein normatives Vollzugsdefizit ist nicht zu besorgen. Denn der Steuerpflichtige muss steuermindernde Abzugstatbestände nachweisen und ggf. auch belegen, mit welchem Verkehrsmittel er Familienheimfahrten durchgeführt hat, etwa wenn er nach Entfernungspauschale hohe Fahrleistungen abrechnet oder Familienheimfahrten mit einem überlassenen Kfz zurückgelegt hat (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 6 EStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.03.2009 – VI R 42/07

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