Leitsatz

Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot sind nicht anzuwenden, wenn objektiv wertlose Anteile aus buchungstechnischen Gründen zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 EUR) veräußert werden.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c, § 3c Abs. 2, § 17 Abs. 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Herr K erhielt 2001 aus einer formwechselnden Umwandlung einer KG, an der er als Kommanditist beteiligt war, in eine AG insgesamt 566 700 Aktien zu je 1 EUR und war mit von 18,89 % am Grundkapital der AG beteiligt. Die AG schüttete keinerlei Gewinne aus. Im Jahr 2002 verkaufte K seine Aktien für insgesamt 1 EUR an einen fremden Dritten. Der Veräußerungsverlust von ca. 1,1 Mio. EUR war unstreitig. In Streit war hingegen, ob der Verlust in voller Höhe oder nur zur Hälfte steuerlich zu berücksichtigen ist. Das FA erfasste ihn nur zur Hälfte, das FG demgegenüber voll (FG Nürnberg, Urteil vom 10.03.2010, 5 K 323/2007, Haufe-Index 2704053).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG aus den in den Praxis-Hinweisen aufgeführten Gründen. Denn der Preis von 1 EUR für alle Aktien war nach den Feststellungen des FG kein Entgelt für die Werthaltigkeit der übertragenen Anteile. Vielmehr waren die Anteile wertlos. Die Vertragsparteien haben die Gestaltung "Veräußerung für 1 EUR" lediglich aus buchungstechnischen Gründen gewählt.

 

Hinweis

Die Entscheidung enthält eine wichtige Fortentwicklung der Rechtsprechung zu § 3c Abs. 2 EStG. Wenn keine Einnahmen zufließen, ist das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG nicht anzuwenden – was gilt aber, wenn Anteile für 1 EUR an einen Dritten veräußert werden?

1. Gem. § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises i.S.v. § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (§ 3c Abs. 2 S. 1 EStG). Bei steuerfreien Einnahmen soll hierdurch kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden.

2. Fallen aber keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Insoweit tritt auch die nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG maßgebliche Folge nicht ein, dass entsprechende Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen sind. Denn dieser Aufwand steht nicht – wie dies § 3c Abs. 2 S. 1 EStG schon dem Wortlaut nach verlangt – in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu den lediglich zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Deshalb ist § 3c Abs. 2 S. 1 EStG nicht anzuwenden und der Erwerbsaufwand in vollem Umfang abziehbar (die Rechtsprechung zusammenfassend BFH-Beschluss vom 18.03.2010, IX B 227/09, BFH/NV 2010, 1022, BFH/PR 2010, 201).

3. Wenn nun aber Anteile für 1 EUR veräußert werden – sind das Einnahmen? Nein, so die Antwort des BFH: Keine Einnahmen erzielt, wer objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 EUR) veräußert. Die Parteien des Veräußerungsvertrags vereinbaren damit kein Entgelt für die Werthaltigkeit der übertragenen Anteile, sondern wählen diese Gestaltung regelmäßig aus buchungstechni­schen Gründen.

4. Vom bloß symbolisch angesetzten Kaufpreis unterscheidet der BFH hingegen die Fälle, in denen Veräußerungseinnahmen erzielt werden, die von so geringer Höhe sind, dass der Veräußerer insgesamt einen Verlust erleidet (siehe das folgende Urteil IX R 40/10, BFH/NV 2011, 1574, BFH/PR 2011, 365). Damit führt er nicht etwa eine Geringfügigkeitsgrenze für die Anwendung des Halb- oder Teileinkünfteverfahrens ein. Es geht nicht darum, ab welcher Höhe ein Veräußerungspreis als für die Anwendung des Halbabzugsverbots erheblich zu erachten wäre, sondern darum, ob ein einem Veräußerungspreis von 0 EUR gleichzusetzender Kaufpreis für die Übernahme wertloser Anteile im Rechtsverkehr aus buchungstechnischen Gründen lediglich symbolische Bedeutung zukommt.

5. Auch wenn einem Kaufpreis lediglich eine symbolische Funktion zukommt, liegt gleichwohl eine entgeltliche Veräußerung vor; denn diese ist auch dann anzunehmen, wenn objektiv wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.04.2011 – IX R 61/10

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge