Leitsatz

Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen kann nicht in Betracht kommen, wenn der Unternehmer Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erhalten hat und er nach den Umständen des Einzelfalls hätte erkennen können, dass diese Rechnungen unzutreffend sind.

 

Sachverhalt

Die Klägerin lieferte in den Streitjahren mehr als 100 hochpreisige Fahrzeuge für mehr als 20 Mio. DM; die Bezahlung erfolgte regelmäßig bar oder durch Barschecks. Die Fahrzeuge wurden in das Drittlandsgebiet als steuerfreie Ausfuhrlieferungen geliefert. Erworben wurden die Fahrzeuge von einem Zwischenhändler, der in seinen Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hatte. Darüber hinaus versicherte der Verkäufer, dass er die Umsatzsteuer an sein Finanzamt abführen würde. Die Fahrzeuge wurden im Freihafen Hamburg übergeben. Teilweise wurden der Klägerin die Fahrzeuge auch von anderen Unternehmern ohne Umsatzsteuer angeboten. Später stellte sich heraus, dass der Zwischenhändler die Umsatzsteuer nicht abführte, da er in gleicher Höhe Vorsteuer aus Rechnungen eines nicht existenten Zulieferers geltend machte. In einem separaten Verfahren wurde der Zwischenhändler wegen Steuerhinterziehung zu einer Gefängnisstrafe von mehr als 3 Jahren verurteilt. Später wurde auch der Geschäftsführer der Klägerin wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung änderte die Beklagte die Steuerfestsetzungen ggü. der Klägerin und versagte ihr den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Zwischenhändlers. Die Einspruchsverfahren verliefen erfolglos, da in den Rechnungen diverse Ungereimtheiten enthalten waren sowie die angegebene Anschrift und Telefonnummer des leistenden Unternehmers nicht zutreffend angegeben worden war. Nachdem die Klägerin insolvent geworden war, erhob der Insolvenzverwalter Klage gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Eingangsrechnungen. Die Klageverfahren beim FG verliefen erfolglos, dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH waren im Ergebnis auch erfolglos und ermöglichten es der Klägerin nicht, den Vorsteuerabzug vorzunehmen.

In einem neuen - dem hier vorliegenden Verfahren - beantragte die Klägerin die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO, da die Klägerin nicht wissen konnte, dass sie in einen Umsatzsteuerbetrug involviert gewesen sei. Sie hätte alles getan, was ihr zuzumuten sei. Soweit das Strafgericht zu einer Steuerhinterziehung aufgrund der Scheinrechnungen des Vorlieferanten gekommen sei, hatte das Gericht noch nicht die neue Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil v. 21.06.2012, C-80/11 (Mahageben), BFH/NV 2012 S. 1404) berücksichtigt, nach der der Vorsteuerabzug ein fundamentales Recht des Mehrwertsteuerrechts sei und nur in Ausnahmefällen versagt werden kann. Da die Klägerin gutgläubig gewesen sei, komme eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen in Betracht. Die Finanzverwaltung wies den Antrag zurück.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage wurde vom FG als unbegründet abgewiesen.

Nach Auffassung des Gerichts hat die Verwaltung zu Recht den Antrag der Klägerin auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO und den Erlass der Umsatzsteuern gem. § 227 AO abgelehnt. Weder in der Ablehnung des Erlasses (§ 227 AO) noch in der Ablehnung einer niedrigeren Steuerfestsetzung (§ 163 AO) lässt sich ein Ermessensfehler des Beklagten feststellen.

Die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen kann nur dann in Betracht kommen, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen, und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist. Insbesondere sind an die Sorgfalts- und Nachweispflichten des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers bei einem Barkauf hochwertiger Pkw hohe Anforderungen zu stellen.

Der erkennende Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger gewusst hatte oder vor dem Hintergrund des Ablaufs der Geschäfte hätte wissen müssen, dass er an einem Umsatz beteiligt ist, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich dem Geschäftsführer der Klägerin wegen der Besonderheiten der Geschäftskonditionen mit dem Zwischenhändler, insbesondere wegen der unüblichen Barzahlung und der ausgewiesenen Umsatzsteuer (trotz Lieferungen im Freihafen) und weil dieselben Fahrzeuge auch von anderen Unternehmen ohne Umsatzsteuer angeboten worden sind, Verdachtsmomente aufdrängen mussten und er deshalb verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt aufzuklären. Dabei hätten ihm die fehlerhaften Adressen und Telefonnummern auffallen müssen.

 

Hinweis

Das FG hat keine Revision gegen das Urteil zugelassen. Allerdings ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (Az. beim BFH, V B 14/13).

Das FG bekräftigt die geltende Rechtslage zur Frage des Vorsteuerabzugs auch vor dem Hintergrund der ...

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