Leitsatz

* 1. Verletzt ein ursprünglich Kindergeldberechtigter seine Mitwirkungspflicht, kann er sich gegenüber der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen.

2. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG kann durch zivilrechtliche Vereinbarungen nicht außer Kraft gesetzt werden, auch wenn diese durch gerichtlichen Vergleich bestätigt werden.

3. Im sog. Weiterleitungsverfahren ist es nicht Aufgabe der Familienkasse, Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen zwischen verschiedenen Kindergeldberechtigten (Ehegatten) zu berücksichtigen und zivilrechtlich zu überprüfen.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 31 Satz 3 , § 64 Abs. 1 , § 64 Abs. 2 Satz 1 , § 70 Abs. 2 , § 37 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger bezog auch nach der Trennung von seiner Ehefrau weiterhin Kindergeld für das gemeinsame Kind. Dieses wohnte nach der Trennung bei der Mutter. Nachdem die Familienkasse Kenntnis von diesem Sachverhalt erhielt, forderte sie das Kindergeld vom Kläger zurück.

Im Klageverfahren trug der Kläger vor, er habe im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Regelung auf der Grundlage der Düsseldorfer Tabelle das gesamte Kindergeld an die sorgeberechtigte Mutter bezahlt und diese habe sich auch bereit erklärt, einen Betrag in Höhe des ihr nicht zustehenden Kindergelds an ihn zurückzubezahlen. Allerdings habe sie diese Verpflichtung mit anderen Unterhaltsansprüchen verrechnet. Wirtschaftlich betrachtet habe er deshalb das Kindergeld in voller Höhe an die Mutter weitergeleitet.

Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Das Kindergeld stehe demjenigen zu, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Eine gegen diese gesetzliche Regelung verstoßende Kindergeldfestsetzung sei aufzuheben und das Kindergeld an die Familienkasse zurückzuzahlen. Auf einen Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil er die Änderungen in seinen Verhältnissen der Familienkasse nicht mitgeteilt habe.

Der barunterhaltsverpflichtete Elternteil könne einen Ausgleich nur über die Kürzung seiner zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung erreichen; nach § 1615g Abs. 1 BGB habe er insoweit einen Anspruch in Höhe des halben Kindergelds gegenüber der Mutter des Kindes. Die Familienkasse könne zwar bei Barunterhaltsleistungen eines Elternteils auch auf die Rückforderung des Kindergelds verzichten, wenn der andere Elternteil bescheinige, dass er das Kindergeld durch Weiterleitung erhalten habe; die Voraussetzungen seien aber im Streitfall nicht gegeben.

 

Hinweis

Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld nach dem sog. Obhutsprinzip an denjenigen bezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Das wird bei einer Scheidung oder Trennung regelmäßig einer der beiden Elternteile sein. Dann ist der andere Elternteil verpflichtet, seinen Anteil zum Unterhalt des Kindes beizutragen (Barunterhalt).

Vielfach wird es aber so sein, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil auch derjenige ist, der schon bisher das Kindergeld bezog. Bezieht er es weiter, muss insoweit ein Ausgleich zwischen den Eltern herbeigeführt werden. Die Frage ist nur, wo der Ausgleich vorzunehmen ist: beim Kindergeld oder beim Unterhalt.

Das Gesetz gibt hier eine klare Antwort: Das Kindergeld wird nur einmal – in voller Höhe – und nur an einen Berechtigten, und zwar an denjenigen bezahlt, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen:

  • zum einen muss der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil das an ihn bezahlte Kindergeld an die Familienkasse zurückzahlen und
  • zum anderen muss er sich selbst dann, wenn er mit dem anderen Elternteil vereinbart hat, dass er wegen des ihm zufließenden Kindergelds einen höheren als den gesetzlichen Unterhalt bezahlt, hinsichtlich eines evtl. Ausgleichs seiner Erstattungsleistungen an den unterhaltsberechtigten Elternteil halten.

Allerdings hat die Verwaltung in ihrer Dienstanweisung (DA-FamEStG TZ 64.3 Abs. 3 ff.) hier einen pragmatischen Weg aufgezeigt: Um unnötige Hin- und Herzahlungen zu vermeiden, kann die Familienkasse auf ihren Rückzahlungsanspruch verzichten, wenn sie davon ausgehen kann, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil mit seinen Zahlungen der Höhe nach letztlich auch den Kindergeldanspruch des anderen Elternteils mit erfüllt hat. Man muss der Familienkasse allerdings zubilligen, dass sie hier ihre Interessen wahrt: Die Anerkennung des "kurzen Zahlungswegs" ist für sie nur zumutbar, wenn sie nicht in rechtliche Auseinandersetzung zwischen den Eltern hineingezogen wird. Deshalb muss der kindergeldberechtigte Elternteil förmlich gegenüber der Familienkasse bescheinigen, dass er seinen Kindergeldanspruch mit der Unterhaltszahlung als erfüllt ansieht (BMF, Schreiben vom 25.8.1998, BStBl I 1998, 1126 mit Anhang 14 zu TZ 64.4 Abs. 4 DA-Fam EStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.5.2002, VIII R 64/00

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