Leitsatz

1. Die Veräußerung von Geschäftsanteilen einer Kapitalgesellschaft, die an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, führt nicht gem. § 8 Abs. 4 KStG 1991 zum Verlust der wirtschaftlichen Identität dieser anderen Kapitalgesellschaft.

2. Der Antrag gem. § 68 FGO a.F., einen Steuerbescheid in ein Klageverfahren überzuleiten, kann, wenn der geänderte Bescheid tatsächlich nicht angefochten wurde und der Antrag auf Verfahrensüberleitung deshalb ins Leere geht, in eine Sprungklage oder in einen Einspruch umgedeutet werden.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 4 KStG 1991 , § 45 FGO , § 68 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine 1981 gegründete GmbH, die zunächst bis 1989 eine chemische Fabrik und eine Apparatebauanstalt betrieb. Anteilseigner war bis zum 16.3.1991 zu 99,25 %, danach zu 100 % die T1-GmbH. Alleinige Gesellschafterin dieser GmbH war die T2-GmbH, deren Anteile von der E-AG gehalten wurden. Die E-AG ist im selben Geschäftszweig wie die Klägerin tätig; die T2-GmbH und die T1-GmbH haben neben ihren Beteiligungen keinen weiteren aktiven Geschäftsbetrieb.

Da sich eine erforderliche Produktumstellung bei der Klägerin als nicht möglich erwies, wurde am 22.12.1989 die Auflösung der Klägerin zum 31.12.1989 beschlossen. Ihre Tätigkeit bestand nunmehr in der Abwicklung von Gewährleistungs- und Haftungsfällen, der Beantwortung berufsgenossenschaftlicher Anfragen sowie der Veräußerung des Betriebsvermögens.

Mit bis zum 31.3.1992 unwiderruflichem Angebot vom 20.12.1991 und Annahmeerklärung vom 27.3.1992 erwarben die Eheleute P den einzigen Geschäftsanteil der T2-GmbH sowie das Gesellschafterdarlehen der E-AG. Bereits mit dem Kaufvertrag vom 20.12.1991 waren den Eheleuten P umfassende und unwiderrufliche Vollmachten im Hinblick auf die Gesellschafterrechte eingeräumt worden. Weiterhin erteilten die Käufer dem Verkäufer im Kaufvertrag einen Besserungsschein für den Fall, dass der Bilanzverlust der Klägerin steuerwirksam ausgeglichen werde.

Daraufhin wurde am 20.12.1991 die Liquidation aufgehoben. Zu dieser Zeit betrug das Aktivvermögen der Klägerin ca. 2 Mio. DM. In der Folgezeit beteiligte sich die Klägerin Anfang 1992 an der C-GmbH mit Anschaffungskosten von 300.000 DM. Ferner erwarb sie im September 1992 sämtliche Anteile an der S-GmbH & Co. KG zum Preis von 10 Mio. DM. Finanziert wurde der Beteiligungserwerb durch Gewinne der erworbenen Gesellschaft, Bankkredite der Klägerin und einer Verbindlichkeit gegenüber der P-GmbH, einer Gesellschaft der Unternehmensgruppe des neuen Gesellschafters.

Das FA stellte für die Klägerin auf den 31.12.1990 einen verbleibenden Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust fest, ließ diese Verluste bei den Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs bei der KSt und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den streitgegenständlichen Stichtag 31.12.1991 jedoch unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 KStG 1991, § 10a GewStG und das BMF-Schreiben vom 16.4.1999 (BStBl I 1999, 455 Tz. 28) wegen Wegfalls der wirtschaftlichen Identität unberücksichtigt.

 

Entscheidung

Das FG wies die Klage ab, der BFH gab der Klägerin in der Sache hingegen Recht. Er verwies sie nur deswegen an das FG zurück, weil sich verfahrensrechtliche Unklarheiten ergaben, die sich aus dem 2. Leitsatz ergeben, aber keine sonderliche praktische Breitenwirkung haben und hier nicht weiter angesprochen werden.

Die Kernaussage seiner Entscheidung – sie wird in den Praxis-Hinweisen hinlänglich erläutert – lautet: Die Veräußerung mittelbarer Beteiligungen führt nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Identität i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG.

 

Hinweis

1. Von diesem Grundsatzurteil haben Sie als BFH-PR-Leser gewissermaßen "mittelbar" schon etwas gehört, es ist Ihnen nicht unbekannt. Denn ihm war ein – im Grund gleich lautender – Gerichtsbescheid vorangegangen, der wiederum Einlass in einen Beitrittsaufforderungsbeschluss des BFH an das BMF fand, den Beschluss vom 4.9.2002, I R 78/01, BFH-PR 2003, 67. Die Problematik, die sich dabei stellte, lässt sich dem bereits entnehmen. Darauf sei deswegen zunächst verwiesen.

2. Es geht um den Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft und damit den Verlust von Verlustvorträgen. Grundlage ist § 8 Abs. 4 KStG – eine Norm, die eigentlich den missbäuchlichen "Verlustverkauf" mittels "GmbH-Mänteln" verhindern soll, die sich jedoch infolge ihrer weit gefassten Tatbestandsvoraussetzungen von dieser Zielsetzung weit entfernt hat und zwischenzeitlich jede x-beliebige Kapitalgesellschaft "trifft".

3. Im Mitelpunkt steht dabei der sog. Hauptanwendungsfall in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG. Zu dessen Voraussetzungen gehören (neben weiteren Erfordernissen wie die Wiederaufnahme oder Fortführung des Geschäftsbetriebs) zum einen das sog. sachliche Substrat – also die Hinzuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens – und zum anderen das sog. personale Substrat – der Austausch von mehr als 50 %, früher von 75 % der Geschäftsanteile. Im Urteilsfall standen beide "Substratfragen" in Streit. Der BFH ha...

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